Seit Oktober 2009 demonstrieren immer wieder viele Tausende Arbeiter des mexikanischen Elektrizitätsunternehmens "Luz y Fuerza" ("Strom und Kraft") gegen die Auflösung des Unternehmens, das mehr als 25 Millionen Menschen im Land mit Strom versorgt hat, und gegen die damit verbundene Entmachtung der unabhängigen mexikanischen Elektrikergewerkschaft SME, die von den Beschäftigten bei "Luz y Fuerza" schon 1914 gegründet wurde. Im September 2009 hatte die mexikanische Regierung unter Präsident Felipe Calderón die fehlende Effizienz und die Verluste der Firma kritisiert, doch der kritische Zustand wurde nach dem Urteil der Gewerkschaft herbeigeführt, um das Unternehmen zu privatisieren und gleichzeitig die SME zu entmachten. "Luz y Fuerza" hat zehn Prozent private Investoren und einen Staatsanteil von 90 Prozent. Kein Mitglied der Geschäftsführung trat bisher an die Öffentlichkeit, um über die schwierige Lage des Unternehmens zu informieren. Aber mehr als 50 aktive und nicht mehr aktive Mitglieder der Administration erhielten Jahresgehälter und Pensionen im Millionenbereich. Darunter litt das Unternehmen ebenso wie unter den "großzügigen" Verträgen mit Großabnehmern, die ihren Stromverbrauch häufig nicht bezahlten. Hinzu kommt, dass die Investitionen in den letzten Jahren halbiert wurden und marode Altanlagen zunehmend Stromausfälle verursachten. Diese Probleme hat die SME immer wieder öffentlich gemacht. Am 10. Oktober 2009 kündigte Präsident Calderón per Dekret die Auflösung von "Luz y Fuerza" und die Entlassung von mehr als 40 000 gewerkschaftlich organisierten Arbeiter/innen an. In der Nacht wurden mehr als 100 Werke des Unternehmens von der Bundespolizei besetzt.

Die Gewerkschaft soll weg

Mit der Schließung des Unternehmens hat die Gewerkschaft keine Basis mehr für ihre Arbeit. Der Regierung war die starke demokratische Organisation, die die Privatisierung von Unternehmensbereichen nicht zulassen wollte, offenbar im Wege. In einer großen Medienkampagne wird der SME seit Herbst im mexikanischen Fernsehen die Schuld am Ende des Energieriesen in die Schuhe geschoben. Doch die SME kämpft. Sie hat Anklage gegen das Präsidialdekret erhoben, der Prozess läuft. Schon am 15. Oktober 2009 haben 300 000 Menschen in Mexico-City ihre Solidarität mit den Gewerkschaftern demonstriert. Am 16. März 2010 organisierte die SME einen nationalen Streik, mit dem sich auch andere Gewerkschaften und zahlreiche Nichtregierungsorganisationen solidarisierten. Die SME verteilt landesweit Informationen, um ihrer Diskreditierung in den Medien entgegenzuwirken, und ruft die Bevölkerung zum Stromrechnungs-Boykott auf. Am 25. April sind 93 Gewerkschafter/innen vor dem Gebäude der Vereinten Nationen in Mexiko in den Hungerstreik getreten. Mit ihren Aktionen will die Gewerkschaft die juristische Aufarbeitung des Präsidialdekrets, die Rücknahme der Schließung der Firma und den Erhalt der Jobs durchsetzen.

Leticia Hillenbrand