Ein Schwarzer Peter liegt schon

ULF G. STUBERGER ist Korrespondent bei den obersten Bundes- gerichten in Karlsruhe

Noch offener kann eine Regierung kaum zu erkennen geben, dass sie selber für sich keine große Zukunft mehr sieht: Entgegen dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar will sie hilfebedürftigen Menschen keineswegs mehr Geld zur Sicherung eines menschenwürdigen Lebens zur Verfügung stellen, sondern die Zahlungen sogar kürzen. Damit wird der folgenden Regierung bereits ein Schwarzer Peter zugespielt. Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, der Gesetzgeber müsse zur Berechnung der Regelsätze für "Hartz-IV-Empfänger/innen" ein "Verfahren zur realitäts- und bedarfsgerechten Ermittlung der zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums notwendigen Leistungen entsprechend den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Vorgaben durchführen". Diese Vorgaben enthalten u. a. den Hinweis auf eine Erhöhung der Regelsätze.

Schon am Tag der Urteilsverkündung war in Karlsruhe deutlich geworden, dass die Regierung gar nicht daran denkt, die Prinzipien des Urteils umzusetzen, sondern nach einem Schlupfloch sucht, eben das nicht tun zu müssen. Bundesministerin von der Leyen, CDU, erklärte stehenden Fußes, man wolle sich nur darum bemühen, dass Kinder aus bedürftigen Familien mehr Unterstützung erhielten. Sie lenkte damit einmal mehr vom Hauptproblem ab und verdrehte das Urteil, das sich in Wirklichkeit mit den allgemeinen Regelsätzen und nur am Rande mit den Bedürfnissen von Kindern befasst.

Läppische 80 Millionen Euro zusätzlich will die gerade noch amtierende Bundesregierung für Kinder aus hilfebedürftigen Familien aufwenden, die Regelsätze aber nicht erhöhen. Das signalisiert der Etatentwurf für 2011. Zusätzlichen 480 Millionen Euro für "Bildung und Teilhabe" stehen nämlich 400 Millionen Euro Einsparungen durch die Streichung des Elterngelds für "Hartz-IV"-Bezieher/innen gegenüber. Der Paritätische Wohlfahrtsverband protestierte prompt. Linke und SPD nannten die erhöhten Ausgaben für Kinder "Mogelpackung".

Damit ist das verfassungsrechtliche Problem, das der Gesetzgeber sich aufgeladen hat, nicht behoben. Merkels Regierung bereitet - "nach mir die Sintflut" - weiteren Verfassungsbeschwerden den Weg, die erfolgreich sein werden.