Das Landtagsgebäude in Hannover

"Die niedersächsische Landesregierung kümmert sich zu wenig um die Europa-Politik und verpasst wichtige Chancen", kritisiert der hannoversche SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange die defensive Reaktion auf EU-Themen. Niedersachsen agiere offenbar frei nach dem Motto: "Hauptsache, Europa stört nicht." Langes Kritik richtet sich gegen das "weitgehend ideenlose 100-seitige Konzept zur Europa-Politik". Dieses Konzept sei eine reine Fleißarbeit und Auflistung von Allgemeinplätzen. "Niedersachsens Europapolitik verzichtet auf Eigeninitiative und beschränkt sich lediglich auf technokratisches Verwalten." Dabei machten alle Kennzahlen deutlich, wie sehr Niedersachsen wirtschaftlich von der EU profitiert.

Gewerkschaften nicht beteiligt

Hauptkritik des EU-Abgeordneten: Arbeitnehmer und Gewerkschaften werden als Handelnde überhaupt nicht gesehen. Der DGB-Wunsch, an Entscheidungsgremien zur Vergabe von einzelbetrieblichen Fördermitteln beteiligt zu werden, wurde vom Wirtschaftsminister abgelehnt. Das gelte ebenfalls für die Einbeziehung von Betriebsräten. Bernd Lange fordert im Bereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik: "Der soziale Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer muss deutlich im Vordergrund stehen. Soziale Grundrechte wie Streikrecht und Tarifautonomie sind zu gewährleisten. Dazu gehört auch die Reform der Entsenderichtlinie." Doch genauso wichtig sei eine Arbeitszeitrichtlinie mit Begrenzung auf 48 Wochenstunden ohne Ausnahmeregelung, ein verbesserter Schutz der Leiharbeitnehmer und die Möglichkeit grenzübergreifender Tarifverträge.

Europa ist keine Chefsache

Ein Grund für ihre mangelnde Aktivität sei, dass die niedersächsische Landesregierung 2003 das Europaministerium aufgelöst und die Kompetenz in der Staatskanzlei angesiedelt habe. Damit sei Europa zwar offiziell Chefsache. Doch habe der Ministerpräsident gar keine Zeit, sich ausreichend zu kümmern, meint der Parlamentarier Lange. So blieben wichtige Felder im Bereich Verkehr, regenerative Energien, Klima- und Umweltschutz unbeackert.

Bayern, Hessen oder Bremen hätten verstanden, dass man die Gesetzgebung in Brüssel frühzeitig beeinflussen müsse, um Impulse zu setzen und der eigenen Wirtschaft zu helfen. "Von anderen Bundesländern bekomme ich vorformulierte Anträge", sagt Lange. Bremen zum Beispiel mache sich Gedanken über Hilfen und Gesetze für die maritime Wirtschaft. Doch obwohl Niedersachsen auch in diesem Bereich Interessen hat, lasse die Staatskanzlei hier jede Initiative vermissen. Konkrete Versäumnisse sieht der Politiker auch in der Verkehrspolitik und im Bereich der Telekommunikation. Im EU-Konzept der Landersregierung fehlten Innovationen für ein modernes, integratives Verkehrssystem aus Niedersachsen völlig. Auch digitale Breitbandkommunikation werde nicht als öffentliche Dienstleistung verstanden.

Langes Fazit: "Aktive Europapolitik, die gestaltet, muss anders aussehen. EU-Richtlinien und deren Umsetzung müssen mit Leben gefüllt werden."