Sie wollen mehr Lohn. Streikende demonstrieren am 26. August in Kapstadt

Von Corinna Arndt

Es ist wieder so weit. Seit dem 18. August streiken in Südafrika landesweit Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. Lehrer protestieren vor Schulen, Krankenschwestern vor Kliniken, Behördenmitarbeiter bleiben zu Hause. Wie in allen großen Städten des Landes marschierten am 26. August Tausende durch die Innenstadt von Johannesburg. Ein Meer von roten und gelben T-Shirts, Transparente und Protestlieder, pulsierend im Rhythmus des Toyi-Toyi - der politische Tanz, der einst zur Anti-Apartheid-Bewegung gehörte wie Nelson Mandela und die Insignien des ANC. "Wir machen weiter, bis die Regierung nachgibt", ruft eine Frau. "Wenn es sein muss, legen wir die Wirtschaft lahm!" Die Gewerkschaften und ihr Dachverband Cosatu zeigen, wie stark sie sind. Und ihre Macht reicht weit über den Arbeitskampf hinaus.

Die Allianz der großen Drei

Traditionell ist Cosatu in der "Tripartite-Allianz" mit dem ANC und der Kommunistischen Partei SACP verbunden. Alle drei Organisationen sind eigenständig, aber durch Mehrfachmitgliedschaften eng miteinander verzahnt. Im Wahlkampf unterstützen Gewerkschaften und Kommunisten den ANC, hinter den Kulissen üben sie großen Einfluss aus. Gerade in ländlichen Gebieten sind oft sie es, die politische Aktivitäten organisieren, Ortsvereine am Leben halten und Wähler mobilisieren. Der ANC ist seit jeher auf seine Partner angewiesen. Gedankt hat er es ihnen kaum.

Bereits wenige Jahre nach Ende der Apartheid schlug der ANC einen neo-liberalen Wirtschaftskurs ein, begründet mit Warnungen vor Währungsschwankungen, Schuldenbergen und verunsicherten Investoren. Die Früchte dieser Politik: Wachstum ohne Arbeitsplätze; Stabilität, aber eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich; Arbeitsgesetze wie aus dem Bilderbuch, von denen jedoch nur profitiert, wer das Glück hat, überhaupt einen Job zu haben. Damals stand die Tripartite-Allianz kurz vor dem Zusammenbruch. Kommunisten und Cosatu sahen sich verraten. Und doch blieben sie in der Allianz, bleiben bis heute, ungeachtet eines Chores aus Kolumnisten und Politikwissenschaftlern, für den es nur eine Frage der Zeit ist, bis der ANC zerfällt und einem klassischen Mehrparteiensystem Platz macht. Das sei gut fürs Land, gut für die Demokratie, gut für die Armen.

Immer weniger Jobs

Statt zum Bruch der Allianz kam es 2008 zur Palastrevolution. Der linke Flügel im ANC, mobilisiert und getragen von Cosatu und Kommunisten, wählte Thabo Mbeki ab und setzte sein Vertrauen in Jacob Zuma. Noch kurz vor den Wahlen, die der ANC 2009 mit Pauken und Trompeten gewann, triumphierte Cosatu-Sprecher Patrick Craven, die "temporäre Führungskrise" sei beseitigt, der ANC wieder auf Kurs und den Arbeitern und Armen verpflichtet.

Doch der erwartete Linksruck blieb weitgehend aus. Allein seit Januar 2010 haben mehr als eine Million Südafrikaner ihren Job verloren - von jedem hängen im Schnitt fünf Angehörige ab. Statt wegweisende Entscheidungen zu treffen, macht Zumas Regierung Schlagzeilen mit Korruptionsskandalen. Die Beziehungen zwischen ANC und Cosatu sind so gespannt wie schon lange nicht mehr. Vor kurzem wollte die ANC-Führung gar Cosatu-Generalsekretär Zwelinzima Vavi als Parteimitglied "disziplinieren", weil er öffentlich die Aufklärung von Korruptionsvorwürfen gegen Regierungskreise gefordert hatte. Die Gewerkschafter drohten mit dem Ende der Allianz. Am Ende passierte nichts.

Doch im Cosatu-Hauptquartier in Johannesburg ist die Ernüchterung deutlich zu spüren. Die neue Feindseligkeit gegenüber Cosatu, meint Patrick Craven, entstamme einer unheiligen Allianz aus Neo-Liberalen und weitgehend ideologiefreien, so genannten "Tenderpreneurs", also Politikern, die den ANC nutzen, um mit Geschäften reich zu werden. War es ein Fehler, Zuma einst so offen zu unterstützen? "Nein", sagt Patrick Craven. "Unter den damaligen Umständen war das die beste Option." Das Problem seien auch heute nicht politische Vorsätze, Beschlüsse und Programme. "Die liegen alle auf dem Tisch. Aber es hapert an der Umsetzung."

Craven ist überzeugter denn je, dass Cosatu den ANC auch künftig von innen heraus beeinflussen sollte: "Wir wissen die Mehrheit der ANC-Mitglieder und -Wähler auf unserer Seite". Die Gründung einer eigenen Linkspartei sei ausgeschlossen: "Die Menschen hier sind emotional mit dem ANC verbunden. Sie wählen ihn, selbst wenn sie unzufrieden sind. Niemand kann es sich leisten, das ANC-Logo, das Konzept, das Symbol zu verlieren. Auch wir nicht. Wenn wir uns abspalten, profitiert nur einer: die DA, die weiße, liberale Opposition. Würde das den Armen helfen? Nein."

www.cosatu.org.za

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