Es war ein ungewöhnlicher Anlass, eine Gewerkschaft zu gründen: Der Metro-Konzern hatte 2008 im südindischen Hyderabad zwei Manager geschasst - woraufhin 140 Beschäftigte in den Streik traten, vier Tage lang. "Wie wird Metro in Zukunft mit uns umspringen, wenn die Firma schon ihr Management so behandelt", hatten sich die Beschäftigten gefragt. Unterstützung fanden sie bei den Kollegen von UNIDOC, dem örtlichen Organisationsbüro des internationalen Gewerkschaftsverbands UNI (Union Netwerk International), dem auch ver.di angehört.

Vor den Kolleg/innen in Hyderabad hatten sich bereits die Beschäftigten zweier Metro-Märkte in Bengalore gewerkschaftlich organisiert. Für sie alle hat sich seitdem einiges verbessert: Sie müssen keine Überstunden mehr leisten, Frauen haben um 19 Uhr Arbeitsschluss, damit sie sicher nach Hause gelangen, und Lohnerhöhungen gibt's regelmäßig. Und: Sie werden von den Vorgesetzten respektvoller behandelt.

"Jetzt wollen wir auch die Beschäftigten größerer Einzelhandelsketten ermutigen, sich zu organisieren", berichtet J.S.R. Prasad, der Chef von UNIDOC Indien. "Bis jetzt hat sich noch keine Gewerkschaft darum gekümmert."

Bisher besteht der Einzelhandel in Indien zu 95 Prozent aus Kleinst- und Straßenhändlern, nur fünf Prozent sind größere Betriebe, darunter Einzelhandelsketten wie Big Bazaar. Das wird sich jedoch in den nächsten Jahren ändern; multinationale Handelsgruppen bereiten sich auf ihren Start in Indien vor.

Kontakte in Riesenstädten

UNICOME wird die neue Organisation heißen. Nach ausführlicher Analyse entschieden die Organizer, sich zunächst auf Big Bazaar zu konzentrieren, und zwar in den drei indischen Riesenstädten Delhi, Bangalore und Hyderabad. Big Baazar ist etwa mit Real oder Kaufland zu vergleichen.

In jeder der drei Städte wurden Organizer eingestellt und geschult - in gleicher Zahl männliche wie weibliche, ein Novum für Indien. Systematisch nehmen sie Kontakt zu den Beschäftigten auf, am Arbeitsplatz, zu Hause, auf dem Arbeitsweg. Sie erfragen die wichtigsten Themen und wofür die Menschen sich engagieren möchten. Tabassum Parveen, Organizerin in Delhi, berichtet, dass weibliche Organizer es leichter haben, Kontakt zu den Beschäftigten aufzunehmen.

Inzwischen hat ein erstes überregionales Treffen der neu gewonnenen Aktiven stattgefunden. Gaurav Arora, der nationale Projektkoordinator, ist zuversichtlich, innerhalb der Projektlaufzeit von drei Jahren einen soliden Grundstein für die neue UNICOME legen zu können. Finanziert wird das Projekt von belgischen Gewerkschaften.

Rund 60000 Gewerkschaften gibt es in Indien. Was in Deutschland eine Betriebsgruppe ist, ist dort oft schon eine registrierte Gewerkschaft. Die meisten gehören einem der zwölf zentralen Gewerkschaftsbünde an. Die größten von ihnen sind eng mit einer der politischen Parteien verknüpft, was einheitliches Handeln erschwert. Die Gewerkschaften müssten sich eigentlich um den informellen Sektor kümmern, dem 90 Prozent aller Erwerbstätigen angehören, sie tun das aber nur zögerlich.

Organisiert in Indien

Nicht einmal zehn Prozent aller Erwerbstätigen im Land genießen arbeitsrechtlichen Schutz und sind sozialversichert. Sie arbeiten im formellen Sektor, der aus staatlichen und einigen privaten Betrieben besteht. Dort sind die Gewerkschaften gut verankert. Anders sieht es in den seit den 90er Jahren entstandenen Betrieben aus, in privaten Banken, bei Mobilfunkbetreibern, Logistikkonzernen, im IT-Breich und eben im Einzelhandel. um