Ausgabe 10/2010
Ein Volk ohne Raum und Hosen
Seit Jahren organisieren Nürnberger ver.di-Mitglieder Mahnwachen gegen den Thor-Steinar-Laden
von Heinz Wraneschitz
NÜRNBERG | Jetzt dürfen auch Nürnbergs Mahnwachen-ver.dianer vor dem "Thor-Steinar"-Laden in ihrer Stadt auf juristischen Erfolg hoffen, falls geklagt würde. Gleich zweimal hat Ende September der Bundesgerichtshof (BGH) "Thor Steinar"-Klamotten zurechtgestutzt. Die Marke wird in der rechten Szene gern getragenen.
Geschäftsschädigung befürchteten die Besitzer des Hundertwasserhauses in Dresden, als sie vor ein paar Jahren erfuhren, ihre neuen Mieter wollen mit "Thor Steinar"-Kleidung Geschäfte machen. Die Vermietergesellschaft sei "davon ausgegangen, dass der Beklagte im Objekt unverfängliche Textilien und Sortimente aus dem Outdoorbereich anbieten werde", war sich das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg vor zwei Jahren sicher. Wurden die Vermieter arglistig getäuscht?
Jedenfalls bestätigte nun der BGH ausdrücklich: Die Mieter müssen raus. Hätten die Hausbesitzer eher gewusst, dass die Marke "Thor Steinar" angeboten werde, wären sie "aus eigener Überzeugung und im Hinblick auf die Persönlichkeit des Künstlers Friedensreich Hundertwasser unter keinem Umstand bereit gewesen, mit dem Beklagten oder einem von diesem beauftragten Vertreter einen Mietvertrag abzuschließen", übernahm der BGH die Begründung aus Naumburg.
Auch im zweiten Fall in Berlin hätten die Hausbesitzer "den Mietvertrag mit der Beklagten nicht abgeschlossen, wenn die Beklagte im Vorfeld der Vertragsverhandlungen erklärt hätte, dass sie beabsichtige, Textilien der Marke Thor Steinar zu veräußern". Das hatte das Kammergericht Berlin festgestellt und wurde ebenfalls vom BGH darin bestätigt.
Die Urteile sind übertragbar
Nürnbergs ver.di-Gewerkschafter sind von den BGH-Urteilen begeistert. Seit Jahren halten sie wöchentlich Mahnwachen vor dem hiesigen "Tønsberg"-Geschäft. Dies verkauft eben jene "Thor Steinar"-Klamotten, welche in Berlin und Dresden nun wohl schwerer zu haben sein werden.
Für Ulli Schneeweiß, den stellvertretenden ver.di-Geschäftsführer, "sind diese Urteile auf die Nürnberger Situation übertragbar". Eigentlich hofft er auf einen Rückzug des Geschäfts mit dem nordisch angehauchten Namen "Tønsberg" aus der Noris. Doch nun liegen ihm gar Hinweise vor, die Betreiber seien im Ort auf der Suche nach einem neuem Ladenlokal.
"Wir bitten alle Vermieter in Nürnberg und Umgebung, extrem vorsichtig bei derzeitigen Mietanfragen zu sein. Sie könnten sich mit der rechten Modemarke Thor Steinar ein Kuckucksei einhandeln", warnt Schneeweiß. Das könnte übrigens auch anderswo in Deutschland passieren: Thor Steinar-Händler sagen nicht freiwillig, dass sie diese Marke verkaufen.
Mit-Mieter des Nürnberger Geschäftshauses mit dem Noch-"Thor Steinar"-Laden beschweren sich seit Langem bei ihrem Vermieter: Der Verkauf sei für sie "geschäftsschädigend". Der Hausbesitzer beklagt selbst "massiven Schaden: Das Gebäude ist immer wieder Gegenstand von Veröffentlichungen. Dabei haben wir aber insgesamt 14 verschiedene Nationalitäten unter unseren seriösen Mietern. Wir hatten sonst immer Glück gehabt", so Christian Maisch gegenüber ver.di Publik.
Diesen Vogel schießt keiner ab
Über "Storch Heinar" urteilte das Nürnberger Landgericht im dritten Verfahren des 11. August. Das satirische Zeichen - ein Vogel mit Hitler-Bärtchen und strengem Seitenscheitel - dürfe weiterhin auf Nazigegner-Kleidung gedruckt werden. Storch Heinar zu verbieten "scheitere schon daran, dass ein etwaiger Marken- oder Wettbewerbsverstoß als satirische Auseinandersetzung mit den klägerischen Marken von den Grundrechten der Meinungs- und Kunstfreiheit" gedeckt sei, urteilten die Nürnberger Richter.