Ein schmuckes Ensemble aus Schloss, Rathaus und Kirche erzählt vom einstigen Wohlstand der kleinen Stadt Bernburg in Sachsen-Anhalt. Längst ist dieser dem Leerstand gewichen: Während hier 1989 noch knapp 48000 Menschen lebten, waren es 2009 gerade noch 36 000. In der Innenstadt zeugen blinde Schaufensterscheiben vom Abwärtstrend. Die allgegenwärtige Stagnation überträgt sich auch auf die Schüler: Jeder fünfte Schüler verlässt die Sekundarschule ohne Abschluss. Alles in allem ein ideales Feld für die Internationale Bauausstellung (IBA), die in diesem Jahr zu Ende geht. Unter dem Motto "Weniger ist Zukunft" will sie die schrumpfenden Städte Sachsens-Anhalts zukunftsfähig machen. In Bernburg heißt das IBA-Thema "Zukunfts.Bildung".

Zurückgehende Schülerzahlen und hohe Schulabbrecherquoten bedeuten weniger Berufsnachwuchs. Dies war auch Ausgangspunkt für Holger Köhncke, Baudezernent der Stadt: "Wenn man ins Kalkül zieht, dass Bernburg ein Schwerpunktstandort der Industrie ist, der immer mit seinem Facharbeiterpotenzial geworben hat, treibt einem das die Sorgenfalten ins Gesicht." Bernburg hat eine radikale Idee in die IBA eingebracht: Pädagogische und städtebauliche Konzepte sollen gemeinsam die Ausbildungsfähigkeit aller Schulabgänger sichern.

Eine Aufgabe für die ganze Gesellschaft

"Die Stadt ist an die Schulen herangetreten mit dem Gedanken, dass Schul- und Stadtentwicklung zusammenarbeiten", sagt Angret Zahradnik, Schulleiterin der Sekundarschule, und: "Wenn Schule heute gelingen soll, muss sie als gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden." Forciert wird eine Bildungsoffensive inmitten der Stadt: Wo jetzt Stillstand herrscht, soll eine quirlige "Bildungslandschaft" entstehen. Im "Campus Technicus" werden die drei bisherigen Bernburger Sekundarschulen schrittweise zusammengeführt, die alten Gebäude werden aufgegeben. 650 Schüler sollen im "Campus Technicus" zukünftig zumindest tagsüber Leben in die Innenstadt bringen, zusätzlich zu den 800 Schülern im benachbarten Gymnasium. Für Bernburg ein klarer Gewinn. Die Mittel von 13,8 Millionen Euro kommen aus Töpfen für den Stadtumbau und Schulbauten.

Kern des Campus bildet künftig das so genannte Treibhaus. Auf dem Baugrund haben Schüler ein Kunstprojekt geschaffen und auf "Wortbäumen" ihre Wünsche formuliert. Nun entstehen Räume, die von allen Schülern genutzt werden: Mensa, Festebene, Bibliothek, Computerlabor und Cafeteria. Zum Treibhaus gehören auch Werkräume für Holz, Textil und Metall, für Informatik, Musik und Kunst. Ein neues pädagogisches Konzept setzt auf praxisorientiertes Lernen und Leben.

"Wir haben versucht, bei der Verortung der Bildungseinrichtungen neuere Erkenntnisse der Stadtentwicklung einfließen zu lassen", so Köhncke. Weil mehrere Politikressorts an einem Strang zogen, kann mitten in der Altstadt, in direkter Wurfweite vom Schloss, ein neues Sekundarschulzentrum entstehen. Der Gewinn an Urbanität nutzt allen: der Bevölkerung, der Wirtschaft und der Stadt. Ute Christine Bauer