Das Wohnprojekt "Lebensort Vielfalt" in Berlin-Charlottenburg wird das erste seiner Art sein: Die Berliner Schwulenberatung baut bis 2012 eine ehemalige Kita zu einem Mehrgenerationenhaus mit 25 Wohnungen vor allem für schwule Senioren, aber auch für Heterosexuelle, Frauen und Familien aus. Dazu wird eine Wohngemeinschaft für acht demenzkranke Schwule gehören, ein Nachbarschaftstreffpunkt mit Café und ein großer Garten. 2,7 Millionen Euro fließen aus der Stiftung Klassenlotterie, 2 Millionen investiert die Schwulenberatung selbst, die mit ihren Büros ins Erdgeschoss ziehen wird. Ein Erbbaurechtsvertrag fürs Grundstück ist unterzeichnet.

150 Bewerber stehen bereits auf der Warteliste. "Das Interesse ist groß", sagt Projektleiter Marco Pulver. Vor allem ältere Schwule, die noch die Stigmatisierung durch den § 175 in sich trügen und sich zu ihrer Homosexualität nicht öffentlich bekennen könnten, wollten nicht in ein normales Altersheim ziehen. Allein wollen sie aber auch nicht leben. Als ehrenamtlicher Mitarbeiter der mobilen Schwulenberatung kennt Bernd Gaiser Ängste vor Einsamkeit im Alter genau und engagiert sich auch deshalb als Sprecher des bereits existierenden Mieterrates für das neue Haus. Der 65-jährige ehemalige Buchhändler wird eine Maisonette-Wohnung beziehen. Er freut sich auf mehrere Generationen unter einem Dach. "Mir liegt viel daran, noch das Leben zu genießen und statt einer eigenen Familie im Alter eine Wahlfamilie zu haben."

Auch wenn das Haus nicht als Pflegeheim konzipiert ist, wird mit barrierearmem Standard, einer Concierge und wählbaren ambulanten Servicediensten ans hohe Alter gedacht. Wie das Experiment ausgehen wird, kann Marco Pulver noch nicht sagen. Die große Resonanz zeige aber, dass es der richtige Weg sei. "Ob und wie wir unser Engagement weitertreiben, hängt natürlich auch von Finanzierungsmöglichkeiten ab." Pulver kann sich vorstellen, dass es irgendwann in jeder Großstadt ein solches Wohnprojekt gibt. Bettina Erdmann

Infos: www.lebensort-vielfalt.de