RINGO BISCHOFF ist Bundesjugendsekretär von ver.di

ver.di PUBLIK | Die Bundesagentur für Arbeit zieht eine positive Bilanz für das Ausbildungsjahr 2010. Geht es aufwärts?

RINGO BISCHOFF | Erfreulich ist, dass es überhaupt einmal wieder mehr betriebliche Ausbildungsplätze gibt, in den letzten Jahren ist ihre Zahl ständig gesunken. Aber: Rund 552000 junge Menschen suchen einen Ausbildungsplatz, von den Betrieben werden jedoch nur 425500 Plätze angeboten. Mehr als 126000 stehen daher auf der Straße oder landen in so genannten Maßnahmen. Der Start ins Berufsleben beginnt mit schlechten Perspektiven.

ver.di PUBLIK | Wie steht es um die Qualität der Ausbildung?

BISCHOFF | Die Qualität der Ausbildung ist stark abgefallen. Einmal was die Inhalte angeht: Lerne ich alles notwendige, was ich brauche, um auch tatsächlich in dem Beruf arbeiten zu können? Oft sind sie einfach nur billige Arbeitskräfte. Und vor allem ist die Bereitschaft zur Übernahme kaum noch vorhanden. Doch ohne Übernahme keine Praxiserfahrung, auf die viele Arbeitgeber schauen. Mindestens eine befristete Übernahme ist daher wichtig. Zwei Drittel aller Auszubildenden werden jedoch nicht übernommen - und haben damit schlechtere Chancen.

ver.di PUBLIK | Mehrere Studien aus jüngster Zeit haben ergeben, dass immer mehr junge Menschen unter 25 oder 30 Jahren in prekären Arbeitsverhältnissen stecken.

BISCHOFF | Ja, das nimmt stark zu. Wer zum Beispiel eine zweijährige Ausbildung gemacht hat, wird schlechter bezahlt als jemand mit einer dreijährigen Ausbildung. Das Argument: Wir wollen Leuten, die nicht so gut im Lernen sind, eine Arbeitsmöglichkeit geben, ist nur eine halbe Wahrheit. Es wirkt sich auf die Bezahlung aus und auf die Art der Beschäftigung.

ver.di PUBLIK | Die Arbeitgeber wollen die zweijährigen Ausbildungen ausweiten.

BISCHOFF | Ja klar. Das ist eine kostengünstige Möglichkeit, schnell Leute in Anlernberufe zu bekommen. Der Fachkräftemangel kommt ja nicht von ungefähr. Zum einen werden zu wenig Leute ausgebildet, zum anderen sinkt die Qualität der Ausbildung. Und dann folgen befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, so genanntes Probearbeiten oder noch ein Praktikum. Meist unbezahlt, aber immer mit dem Anreiz: Danach gibt es eine Stelle. Woraus am Ende doch nichts wird. Was macht das mit den jungen Menschen? Die stehen unter Druck, wollen zeigen, wie gut sie sind. Sie sind bereit, alles aus sich herauszuholen, gerade wenn sie in einer Befristung oder in einem Praktikum stecken. Denn sie wollen ja einen unbefristeten Job - es klappt aber nicht. Daher können sie nichts planen. Ob es um Familiengründung oder auch nur um eine Anschaffung geht.