Ausgabe 12/2010
Kultur gehört zum Leben
Stimmen für die Kunst
Von Birgit Tragsdorf
Ist derzeit von Kunst und Kultur die Rede, dann geht es ums Geld. Oder besser: um drohende Kürzungen, Schließungen, Theaterfusionen, Einkommensverzicht. Die Wirtschaftsexperten reden von Wachstum und mehr Steuereinnahmen, in den drei Bundesländern unseres Landesbezirkes aber werden gleichzeitig drastische Sparprogramme verkündet, die vor allem die Kultur, die Jugend, soziale Bereiche, Bildung und Wissenschaft betreffen.
Sachsen will in das bestehende Kulturraumgesetz eingreifen, kürzen natürlich. In Thüringen wird im Frühjahr die Kulturfinanzierung neu geregelt, da rangeln bereits die Beteiligten miteinander. In Sachsen-Anhalt herrscht Wahlkampf, im April 2011 sind Landtagswahlen, klare Aussagen bleiben aus. Die Theater stecken auch dort in Schwierigkeiten.
Protestaktion "Fünf vor Zwölf"
An der Leipziger Oper regt sich seit langem kreativer Widerstand. Warum, beschreibt Personalrat Stephan Zimmermann: Seit Jahren gibt es Haustarifverträge, die für die Belegschaft Verzicht bedeuten. Ein Drittel der Spielzeit 2010/11 ist um, einen Haushaltsplan hat der Stadtrat noch immer nicht verabschiedet. Das Theater ist Verpflichtungen eingegangen, es braucht Planungssicherheit. Klar ist, die Stadt kann nicht mehr aufsatteln. Nun kommen in der laufenden Spielzeit die von der Sächsischen Staatsregierung angekündigten Kürzungen im Kulturraumgesetz noch dazu. Das trifft Leipzig besonders hart. Deshalb wehren sich die Künstlerinnen und Künstler jeden Montag um 13 Uhr im Foyer der Oper mit ihrer "Aktion Kunst". Am 17. November spielten sie mit einem "Fünf-vor-Zwölf-Solidaritätskonzert" gemeinsam mit dem Gewandhausorchester vor vollem Haus gegen die Kürzungspläne und für eine gesicherte und ausreichende Finanzierung der drei Leipziger Eigenbetriebe: Oper, Gewandhaus und Schauspiel. "Klar ist", so Stephan Zimmermann, "dass wir an den Spielplänen nun nichts ändern können. Fehlt Geld, dann wird es bei der Arbeit mit Kindern und Schulen gekürzt werden müssen."
Die Landesbühne Sachsen soll aus der Landesverantwortung in eine GmbH übergehen, finanziert werden soll dies über Mittel aus dem Kulturraumgesetz - bei anderen Kultureinrichtungen abgezogen - und vom Landkreis und der Stadt Radebeul. Die Betroffenen diskutieren derzeit heftig. In Sachsen wackeln auch die angestrebten Theaterfusionen in Görlitz-Zittau und Plauen-Zwickau, auch hier geht es ums Geld. ver.di verhandelt dort mit über die Bedingungen für die Fusion und die Haustarife. Rückhalt erfährt der Fachbereich Kunst und Medien in der Belegschaft durch Mitgliederzuwachs.
In Sachsen-Anhalt stehen die Diskussionen um die Theater in Halle und Dessau im öffentlichen Interesse. Mit der Gründung der Theater GmbH in Halle hat sich die Lage nicht entspannt. Die Schließung des Kinder- und Jugendtheaters Thalia ist noch nicht vom Tisch, auch wenn sich jetzt in Gesprächen, an denen ver.di beteiligt ist, Kompromissbereitschaft andeutet. In Dessau-Roßlau wehrt sich die Bürgerinitiative "Land braucht Stadt" gegen die Kürzung von 13, 5 Millionen beim Anhaltischen Theater, bei Bibliotheken, Museen, Freibädern und Vereinen.
Die Betroffenen streiten sich
Zurzeit gibt Thüringen für seine Kultur jährlich 100 Millionen Euro aus. Im Frühjahr werden die Summen und die Verteilung neu geregelt. Bizarr, dass der Intendant der chronisch unterfinanzierten Erfurter Theater eine Leuchtturmkultur vorschlägt: Kleinere Häuser hätten kaum eine Zukunft, werden sie geschlossen, bekommen die großen mehr Geld. Städte unter 100000 Einwohner bräuchten keine eigenen produzierenden Theater. Die kleinen, aber erfolgreichen Theater wie Rudolstadt und Meiningen protestieren heftig.
Das ostthüringer Theater Gera-Altenburg ist im November knapp der Insolvenz entgangen. Hier unterstützen nun die Kommunen und das Land Thüringen das klamme Haus. Es wird erheblich gespart werden müssen am Theaterbetrieb und den Gehältern.
Die Liste der finanzschwachen Einrichtungen ist lang und dehnt sich auf alle Kulturbereiche in allen drei Ländern aus. Die Landesregierungen kürzen den Kommunen die Gelder für die freiwilligen Leistungen und freie Träger; Sozialarbeit oder Schulsanierungen stehen im Wettbewerb mit der Kultur.
Im Leipziger Appell der Betriebs- und Personalräte an Theatern und Bühnen heißt es deswegen: "Ein hochwertiges kulturelles Angebot gehört zur öffentlichen Daseinsvorsorge und muss daher Pflichtaufgabe der verantwortlichen Politik sein. Keine Stadt, kein Landkreis und kein Bundesland können ihre finanziellen Probleme auf Kosten der Kultur lösen." Und deshalb fordern sie eine gerechte Finanz- und Steuerpolitik, damit wir uns Kunst und Kultur leisten können.