Ausgabe 12/2010
Nur gemeinsam ist das zu machen
JÖRG REINBRECHT koordiniert den Fachbereich Finanzdienstleistungen in der ver.di- Bundesverwaltung
ver.di PUBLIK | Mit der Neue Assekuranz Gewerkschaft, NAG, ist eine neue Branchengewerkschaft - diesmal im Versicherungsgewerbe - entstanden. Muss ver.di nun fürchten, viele Mitglieder aus dem Versicherungsgewerbe zu verlieren?
JÖRG REINBRECHT | Ich denke nein, denn ver.di ist die Branchengewerkschaft und die Gewerkschaft, die tariffähig ist und die Interessen der Kollegen auch durchsetzen kann. Eine weitere Splitterorganisation bewirkt genau das Gegenteil von dem, was solche Organisationen vorgeben. Wir werden dadurch nicht stärker werden im Versicherungsgewerbe, sondern eher schwächer. Das zeigt auch die Geschichte, denn ver.di ist ja genau aus dem Grunde entstanden und gegründet worden, um Konkurrenzen abzuschaffen zwischen verschiedenen Gewerkschaften, also in diesem Fall zwischen der alten DAG und der alten Gewerkschaft HBV.
ver.di PUBLIK | Die NAG beklagt den geringen Organisationsgrad in der Branche, nur zehn Prozent der Beschäftigten seien Gewerkschaftsmitglieder. Ist da eine so kleine neue Gewerkschaft die Lösung?
REINBRECHT | Sicher nicht, und zwar gerade weil der Organisationsgrad so gering ist. Deshalb müssen wir gemeinsam gucken, dass wir in einer Gewerkschaft größer und stärker werden. Ist es nicht absurd, dass die Eisenbahnergewerkschaften sich vor einigen Tagen zusammengeschlossen haben, um durchsetzungsfähiger zu werden - und zur gleichen Zeit versuchen einige enttäuschte ver.di-Mitglieder eine neue Versicherungsgewerkschaft aufzubauen?
ver.di PUBLIK | Momentan beschränken sich die Aktivitäten der NAG auf den ERGO-Konzern, in dem ver.di zuletzt den Abbau von Arbeitsplätzen zu verhindern suchte. Ist die NAG also eher eine Konzern-Gewerkschaft?
REINBRECHT | Die NAG ist derzeit im Wesentlichen eine ERGO-Konzerngewerkschaft, die aber auch versucht, in anderen Unternehmen Mitglieder zu werben. Wir müssen uns also mit der NAG auseinandersetzen. Man muss aber wissen, dass der Entstehungsgrund für die NAG in innergewerkschaftlichen Konflikten im ERGO-Konzern zu suchen ist. In einer großen demokratischen Organisation kann es vorkommen, dass es Entscheidungen über Arbeitsschwerpunkte oder zu (tarif-)politischen Fragen gibt, bei denen man anderer Meinung ist. Deshalb eine neue Gewerkschaft zu gründen, nützt jedenfalls nicht den Beschäftigten - höchstens den Arbeitgebern.
ver.di PUBLIK | Und was unternimmt ver.di jetzt?
REINBRECHT | Wir versuchen, insbesondere bei ERGO die Kolleginnen und Kollegen davon zu überzeugen, dass eine Spaltung der Interessenvertretungen das Gegenteil von dem bewirkt, was die NAG-Gründer versprechen.