Voll war es am 13. November in Nürnberg. Solchen Andrang könnte es am 1. Mai in München auch geben

von Heinrich Birner

Ein Politikwechsel ist fällig - dringender denn je. Das in Deutschland jährlich wachsende Vermögen muss endlich wieder gerechter verteilt werden. Am 13. November 2010 haben in Nürnberg 30000 Bürgerinnen und Bürger für eine andere Politik demonstriert, viele von uns aus München und Umgebung waren dabei. Das hat Eindruck gemacht, aber noch nicht ausgereicht. Deshalb müssen die sozialen Proteste fortgesetzt werden.

Die Münchner Gewerkschaften haben vereinbart, den 1. Mai in diesem Jahr zum großen Aktionstag für eine andere Politik zu machen. Unser gemeinsames Motto lautet "Gerecht geht anders, wir fordern einen politischen Kurswechsel!"

Jede und jeder bringt noch zwei mit

Die Bundesregierung wird sich nur dann bewegen, wenn sie merkt, dass es im Volk brodelt. Deshalb muss der 1. Mai eine machtvolle Protestaktion der Münchnerinnen und Münchner werden. Wir haben den Ehrgeiz, dass allein ver.di München 4000 Mitglieder für diesen Tag mobilisiert: zur Demo und zu den Kundgebungen und Aktionen auf und um den Marienplatz. Wenn alle, die in den letzten Jahren an der Maikundgebung teilgenommen haben, zwei weitere Kolleginnen, Kollegen, Freunde, Bekannte oder Familienangehörige mitbringen, packen wir das. Am 1. Mai heißt's eins plus zwei!

Es lohnt sich, gemeinsam gegen all die Zumutungen aktiv zu werden, die im folgenden Horrorkatalog kurz aufgelistet sind:

Umverteilung von unten nach oben

Deutschland ist ein reiches Land. Doch sind in unserer Gesellschaft in den letzten zehn Jahren die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer geworden. Bereits zu Beginn unseres Jahrtausends waren rund 50 Prozent des Gesamtvermögens in den Händen von nur zehn Prozent der Bundesbürger. Die Welt ist seitdem aber noch wesentlich ungerechter geworden. Die breite Masse von 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger besitzt inzwischen nur noch 40 Prozent aller Vermögenswerte. Es hat eine enorme Umverteilung von unten nach oben stattgefunden.

Ungerechte Steuergesetze

Durch Änderungen in der Steuergesetzgebung wurden Spitzenverdiener, Vermögensbesitzer und Unternehmer systematisch entlastet. Leere öffentliche Kassen sind nicht das Ergebnis eines Naturschicksals, sondern die Folge politisch gewollten Handelns.

Gesundheitskosten und Kopfpauschale

Bei der Finanzierung der Sozialversicherung wurden die Unternehmer nach und nach aus der paritätischen Finanzierung herausgenommen. Anstatt wie früher zur Hälfte sind die Arbeitgeber heute nur noch mit 38 Prozent an der Finanzierung der Gesundheitskosten beteiligt. Im Herbst wurde beschlossen, dass die Arbeitgeber an der Finanzierung der zu erwartenden Kostensteigerungen im Gesundheitswesen gar nicht mehr beteiligt werden. Die Mehrkosten sollen nur noch von den Versicherten über Zuzahlungen, so genannte Kopfpauschalen, getragen werden.

Rentenkürzungsprogramm

Die Rente mit 67 ist ein Rentenkürzungsprogramm. Um den Beitragssatz der Arbeitgeber nicht zu erhöhen, wird auf der Ausgabenseite gekürzt. Wer künftig vor seinem 67. Lebensjahr aus dem Arbeitsleben ausscheiden will, muss eine Rentenkürzung von bis zu 14,4 Prozent hinnehmen.

Prekäre Beschäftigung

Die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes hat wesentlich zur ungerechten Einkommensverteilung beigetragen. Vor allem mit der Möglichkeit, zeitlich unbegrenzt Leiharbeiter einsetzen zu können, haben die Arbeitgeber ein Instrument zur Lohndrückerei bekommen. Missbrauch, um Lohnkosten zu senken, wird aber auch durch befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitjobs und 400-Euro-Minijobs getrieben.

Niedrige Lohnabschlüsse

Ehrlicherweise müssen wir aber auch die zurückhaltenden Lohnabschlüsse der letzten zehn Jahre benennen. In Deutschland hatten wir in diesem Zeitraum die niedrigsten Lohnerhöhungen in ganz Europa. Der "Wirtschaftsweise" Peter Bofinger betont, dass die Lohnerhöhungen in diesem Zeitraum jährlich um ein Prozent höher hätten ausfallen können, ohne dass dies der Wirtschaft irgendwie geschadet hätte.

"Sparpaket" zu Lasten der Ärmsten

Das 80-Milliarden-"Sparpaket" vom Herbst 2010 ist ein Paket, das die Ärmsten im Lande, nämlich die Langzeitarbeitslosen, zur Kasse bittet, während die Wirtschaft weitgehend verschont bleibt.

Der Atom-Deal

Die Sondersteuer für die Atomindustrie wurde mit der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke belohnt. Die energieintensive Industrie hat sich gegen den Abbau von Energiesteuervergünstigungen gespreizt. Die Politik hat nachgegeben. Dafür wurde jetzt die Tabaksteuer erhöht.

Gegen all das wollen wir am 1. Mai lautstark protestieren. Und uns an das schöne Kinderlied erinnern: "Einer ist keiner. Zwei sind mehr als einer. Sind wir aber erst zu dritt, dann machen auch die andern mit." Für Kinder wird beim DGB-Familienfest am 1. Mai in München übrigens auch einiges geboten.