Das Uniklinikum Gießen/Marburg (UKGM) ist seit Längerem in der öffentlichen Debatte. Es geht um die verminderten Pflegestandards, seit die beiden Standorte in privater Hand sind. Anfang Februar sorgte nun eine Marburger Krankenschwester für Furore. Sie hatte mit Unterstützung von ver.di nach mehreren Jahren gerichtlicher Auseinandersetzungen vor dem Bundesverfassungsgericht Recht bekommen. Der Sachverhalt ist kompliziert. Denn im Mittelpunkt steht die Privatisierung der beiden Universitätskliniken. Dabei wurden die Rechte der Arbeitnehmer/innen massiv verletzt. Das steht nun höchstrichterlich fest.

So geht's nicht

2005 hatte das Land Hessen beschlossen, die beiden Einrichtungen zunächst zusammenzufassen und danach zu privatisieren. Hintergrund waren massive finanzielle Probleme, insbesondere am Standort Gießen. Dort gab es einen enormen Investitionsstau, aber auch in Marburg bestand finanzieller Handlungsbedarf. Das wollte die damalige Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch, CDU, nicht finanzieren und stahl sich auf juristisch verwinkelten Wegen aus der Verantwortung als Arbeitgeber. Denn Anfang 2006 wurden die Kliniken - nach mehreren Etappen - für einen Preis von 102 Millionen Euro an die Rhön-Kliniken AG, einem börsennotierten Konzern, verkauft. Mit verkauft wurden damals aber auch die Beschäftigten: Krankenschwestern, Fahrer der Krankentransporte, Verwaltungsangestellte, Reinigungskräfte, die bis dahin im Dienst des Landes Hessen standen. Normalerweise haben Beschäftigte nach dem Gesetz das Recht, sich bei Betriebsübergängen gegen einen neuen Arbeitgeber zu wehren, also zu widersprechen. Per Gesetz schloss das die damalige Landesregierung aus, um die Privatisierung zu erleichtern und sich damit der nichtwissenschaftlichen Beschäftigten möglichst reibungslos zu entledigen. Und hat sich auf diese Weise seinen arbeitsvertraglichen Pflichten - so das Gericht - entzogen. Insgesamt 138 ver.di-Mitglieder legten damals Widerspruch ein. Einige Verfahren stehen noch aus.

Fehler korrigieren

So geht das grundsätzlich nicht, urteilte das Bundesverfassungsgericht. Denn jeder Arbeitnehmer und auch jede Beschäftigte im Landesdienst habe das Grundrecht "auf freie Wahl des Arbeitsplatzes beziehungsweise auf Beibehaltung des Arbeitsplatzes". Mit der Überleitung an einen neuen, in diesem Fall privaten Arbeitgeber können sich nicht unerhebliche Nachteile in Bezug auf das Arbeitsverhältnis und auch auf Versorgungsansprüche ergeben. In der Privatisierungseile habe das Land seine Hausaufgaben nicht gemacht, sagt die Betriebsratsvorsitzende in Marburg, Bettina Böttcher. "Es wurde geschludert, das darf nicht zu Lasten der Beschäftigten gehen. Alle Beschäftigten müssen sich ohne Druck und Angst entscheiden können."

Bis Ende dieses Jahres hat die Landesregierung Zeit, ihre Fehler zu korrigieren. Betroffen sind nach dem Urteil etwa 4000 Beschäftigte. Marita Kruckewitt betreut als ver.di-Sekretärin dieses Verfahren. Sie freut sich zunächst über die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten. Für die nahe Zukunft sagt sie: "Es ist spannend, wie es weitergehen wird. Eine vorläufige Bewertung des Urteils öffnet verschiedene Perspektiven. Wir werden selbstverständlich die Beschäftigten des UKGM (oder jetzt doch wieder des Landes Hessen?) weiter begleiten." Privat ist eben längst nicht immer besser als öffentlich, die Beispiele dafür beginnen sich zu häufen.

In Folge des Urteils hat ver.di das Land nun zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Ziel ist eine verfassungskonforme Lösung für "das derzeitige Chaos" . Seit dem 28. Februar ist ver.di mit Vertretern des Landes Hessen im Gespräch. reb