Horst Fricke

Obwohl er einer der Gründerväter von ver.di ist, hat er bei der Dienstleistungsgewerkschaft nie eine Funktion bekleidet: Horst Fricke, heute 73 Jahre alt - und immer noch aktiv.

Fricke leitete den Bezirk Niedersachsen der Gewerkschaft ÖTV von 1984 bis 2001 souverän und gradlinig. Tarifverhandlungen führte er hart in der Sache, aber mit Augenmaß. Mit Argumenten statt mit Populismus und Polemik überzeugen - nach dieser Devise handelt Fricke noch heute, zum Beispiel als alternierender Vorsitzender der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover.

"Schon Anfang der 1990er Jahre gab es erste Überlegungen, das gewerkschaftliche Gegeneinander von DAG und ÖTV zu beenden", erzählt Horst Fricke. Dabei fällt sogleich der Name Wolfgang Denia.

Ein Blick zurück: Die ÖTV unter dem Dach des DGB vertrat vor allem den öffentlichen Dienst, aber auch die Branchen Transport und Verkehr. Rund 170000 Arbeiter, Angestellte und Beamte waren in den 1990er Jahren in Niedersachsen und Bremen organisiert. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) vertrat dagegen in Konkurrenz zum DGB ihre rund 70000 Mitglieder über alle Branchen hinweg. Fricke und der damals in Hamburg für die DAG tätige Hannoveraner Denia kannten sich von Tarifverhandlungen her. "Wir haben uns persönlich schätzen gelernt. Die Chemie hat gestimmt", sagt der Ex-ÖTV-Mann. Die Bundesebene reagierte 1994 auf die Zusammenarbeit. Es kam zu einem Kooperationsabkommen zwischen den Gewerkschaften. Fricke: "Das wissen die wenigsten."

Aufgebot wird bestellt

Fricke und Denia tauschten sich regelmäßig aus. "Die Zusammenführung war ein Prozess, der viel Augenmaß und Fingerspitzengefühl erforderte", so Fricke. Dann wurde am 1. Juli 1997 das Jubiläum "50 Jahre ÖTV" gefeiert und damit der Fusionsgedanke öffentlich. Denn Fricke hatte Denia dazu eingeladen und erklärte: "Heute haben wir bereits eine dreijährige erfolgreiche Kooperation zwischen ÖTV und DAG hinter uns. Mehr noch: Wir haben begonnen, die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen mit dem Ziel des Zusammenwachsens. Von daher schließe ich auch eine Fusion, einen Zusammenschluss von ÖTV und DAG zu einer Gewerkschaft für den privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich, nicht mehr aus. Wir wollen diesen richtigen Schritt, um gemeinsam und gestärkt nach vorne zu blicken." Die Neue Presse in Hannover titelte "ÖTV und DAG bestellen das Aufgebot".

Gemeinsame Tagungen und Schulungen folgten. "Auch das zeigte Wirkung auf Bundesebene." Damit die DAG aber unter das DGB-Dach schlüpfen konnte, musste es zu einer Neuordnung kommen - allein schon, um Überschneidungen in den Branchen zu vermeiden. Viele Verhandlungen folgten.

Der Gründungsprozess zog sich über drei Jahre hin. Im November 2000 sollte auf dem ÖTV-Gewerkschaftstag in Leipzig ein Votum für ver.di erfolgen. Doch nur 62 Prozent stimmten dafür. Der damalige ÖTV-Bundesvorsitzende Herbert Mai warf das Handtuch. Hinter geschlossenen Türen suchte auch Fricke bis spät in die Nacht nach einer Lösung: Die hieß Frank Bsirske, damals Personaldezernent der Landeshauptstadt Hannover.

Triumph für ver.di

Im März 2001 wurde Bsirske in Berlin mit 94,7 Prozent zum neuen ÖTV-Vorsitzenden gewählt - als erklärter ver.dianer. Und 87 Prozent der ÖTVler gaben dann doch ihre Zustimmung für die neue Gewerkschaft. Fricke: "Das war die Geburtsstunde von ver.di."

Am 24. April 2001 folgte in Hannover die Gründungskonferenz des Landesbezirks Niedersachsen-Bremen. Die Verschmelzung der DGB-Gewerkschaften und der DAG habe grundsätzliche Bedeutung, sagt Fricke, das werde die Zukunft zeigen. "Es war eine Herzenssache, die Spaltung der deutschen Gewerkschaften zu überwinden". Auch aus heutiger Sicht sei die ver.di-Gründung zur Stärkung gewerkschaftlichen Handelns notwendig gewesen. syno