Ausgabe 04/2011
Verkäuferinnen gegen Supermarkt-Riesen
Am 29. März hat vor dem Obersten Gerichtshof in Washington die Entscheidungsphase der größten Diskriminierungsklage der US-Justizgeschichte begonnen. Vorerst geht es nur um die von Wal-Mart bestrittene Rechtmäßigkeit der Gruppenklage. Erhoben wurde diese Klage vor elf Jahren, doch dank Wal-Marts Verzögerungstaktik wird erst jetzt in letzter Instanz verhandelt.
Der Arbeitsrechtskampf begann anno 2000, als sich die Wal-Mart-Kassiererin Betty Dukes aus Pittsburgh, Kalifornien, beruflich in der Sackgasse fühlte. Gemeinsam mit fünf weiteren Frauen und stellvertretend für Hunderttausende weiblicher Wal-Mart-Angestellter zog sie vor Gericht. Die Frauen beriefen sich auf die US-Bürgerrechtsgesetzgebung, die Diskriminierung am Arbeitsplatz auf Grund von Rasse, Religion oder Geschlecht untersagt. In der Klage heißt es: "Wal-Mart fördert oder erleichtert geschlechtsspezifische Stereotypisierung und Diskriminierung aller Frauen, die in Wal-Mart-Geschäften ... beschäftigt sind." Der Supermarktkette wird vorgeworfen, Frauen bei gleicher Arbeit und besserer Qualifizierung geringer entlohnt, ihnen Weiterbildungsmaßnahmen verweigert und sie bei Beförderungen übergangen zu haben. Dukes und ihre Mitstreiterinnen fordern Schadensersatzzahlungen und die rückwirkende Anpassung der Gehälter. Ein Schuldspruch würde Wal-Mart sicher Milliarden kosten, doch bei einem Jahresumsatz von 400 Milliarden nicht in den Ruin treiben.
Obwohl die vorigen Instanzen eine Sammelklage der Angestellten für rechtens erklärt haben, beharrte Konzernanwalt Ted Boutros bei der Anhörung in Washington darauf, eine Gruppenklage sei nicht zulässig und verstoße gegen Wal-Marts interne Unternehmenskultur. Wissend, dass die Mehrheit der Klägerinnen nicht die Mittel hat zu prozessieren, besteht Wal-Mart auf Einzelklagen. Aus Angst vor einer Welle von Prozessen haben sich 20 US-Konzerne mit Wal-Mart solidarisiert, darunter Intel, General Electric, Microsoft.
Im Juni werden die in der Mehrheit konservativen Obersten Richter über die Zulässigkeit der Sammelklage entscheiden. Sollten die Frauen wider Erwarten gewinnen, wird es wohl noch einmal elf Jahre dauern, bis Betty Dukes' Klage verhandelt wird. Dann wäre sie 76 Jahre alt. Doch Betty Dukes fühlt sich vor Gericht am rechten Platz: "Wer sich im Leben nicht wehrt, wird niedergetrampelt." Barbara Jentzsch