Am Tag der Befreiung beim Mahnmal für die Opfer des Faschismus

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich begrüße Sie und Euch am heutigen 8. Mai, dem Tag der Befreiung, auf dem Ohlsdorfer Friedhof am Mahnmal für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung. Wir stehen hier an einem historisch bewegenden Ort. Dieses Mahnmal wurde auf Initiative des ehemaligen Vorsitzenden der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Franz Heitgres, errichtet. Heitgres gehörte der KPD an und wurde von der britischen Militärregierung für den Senat benannt. Das Mahnmal erinnert an Tausende Opfer in den Jahren des Nazi-Regimes, die hier gegenüber in dem Krematorium eingeäschert wurden. Die 105 Urnen mit Erde und Ascheresten hier stammen aus verschiedenen Konzentrationslagern und Hinrichtungsstätten. Anlass zur Errichtung dieses Mahnmals war die "Urne des unbekannten Konzentrationärs": Nach der Befreiung des KZ Buchenwald schworen sich Häftlinge, die Erinnerung an das Unrecht wach zu halten. Repräsentanten jeder der im Lager vertretenen 36 Nationen nahmen deshalb je eine Urne mit Ascheresten verstorbener Häftlinge mit auf den Weg in ihre Heimatländer. Auch Hamburger Widerstandskämpfer nahmen eine solche Urne mit. Die Namen von 25 Konzentrationslagern und Verfolgungsstätten sind in die Marmorplatte vor dem Mahnmal eingraviert.

Ich selbst nehme seit Jahrzehnten an der jährlichen Gedenkfeier des DGB am 1. September teil, die an den Beginn des Zweiten Weltkriegs mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 erinnert. Diese beiden historischen Daten markieren das unheilvollste Kapitel deutscher Geschichte. Wir sind "Gegen das Vergessen". Wir sind hier, weil wir wissen, dass es Menschen waren, die diese Barbarei von Faschismus und Krieg zugelassen und selbst betrieben haben. Wir sind hier, weil wir wissen, dass sich Frieden nicht von selbst einstellt, sondern jeden Tag und überall durch aktives Handeln in Politik und im Alltag neu erkämpft und bewahrt werden muss. Der 1. September und der 8. Mai - das sind in diesem Sinne Gedenktage für Frieden und Demokratie. (...)

Gedenktage sind wichtig, um uns an unsere Vergangenheit zu erinnern. Sie sind aber ebenso wichtig, um daraus zu lernen, damit aus Gedenktagen Alltage werden. Gerne wird an solchen Tagen, oft mit viel Pathos, der Wert von Demokratie und Frieden, von Zivilcourage und Widerstand beschworen. Gedenken muss aber auch Folgen für das Heute haben, sonst bleibt es sinnlos. Gedenken muss Spuren hinterlassen - in der Politik, in den Schulen, im Alltag. Der Einsatz für Minderheiten, das Engagement für Schwächere, Solidarität und Mut kommen nicht von alleine. Wenn wir etwas aus der Vergangenheit lernen können, dann ist dies die Erkenntnis, dass Zivilcourage, der Einsatz für Minderheiten und gegen Gewalt, Tugenden sind, die wir pflegen und fördern müssen. (...)

Wenn wir also jenseits des allgemeinen Pathos konkret werden wollen, dann gehört ein Thema in unserem Land und unserer Stadt solange auf die politische Tagesordnung, bis es endlich erreicht wird: Das Verbot der NPD. Denn die NPD ist eine antisemitische und neofaschistische Partei in der Tradition des NS-Faschismus. Sie steht nie und nimmer auf dem Boden des Grundgesetzes, sondern will die demokratische Ordnung beseitigen - auch wenn sie das nicht mehr, oder noch nicht wieder in ihr Programm schreibt. Wir können und wir werden nicht akzeptieren, dass mit juristischen Scheinargumenten entschuldigt wird, dass ein Verbotsverfahren angeblich aussichtslos sei.

Aber, liebe Friedensfreundinnen und -freunde, mindestens genauso gefährlich wie diese martialischen Kameraden sind die Rassisten in Nadelstreifen, also diejenigen, die die sozialen Konflikte in unserer Gesellschaft vor allem ethnisch und biologisch deuten wollen. Es ist alarmierend, dass ein solches Machwerk schon seit Monaten ganz oben auf der Bestsellerliste steht. Und es war für mich eine schwere Enttäuschung, dass ein Schiedsgericht meiner Partei dessen Autor nicht ausgeschlossen hat.

Was macht solche Ausgrenzungs- und Sündenbockrethorik für viele Menschen so interessant? Es ist die Unsicherheit über die eigenen Lebensperspektiven, die Angst, selbst abzurutschen in den Keller der Gesellschaft und dort nicht wieder herauszukommen. (...) Je unsicherer die Lebensperspektiven und das Lebensgefühl der Menschen, desto verbreiteter finden sich feindliche Einstellungen gegen Minderheiten, seien es Einwanderer, Arbeitslose, Homosexuelle oder Menschen mit Behinderung. (...)

Wenn in unserer reichen Stadt die soziale Spaltung wächst und nicht abnimmt, wenn jedes vierte Kind in Armut aufwächst, wenn die Schere zwischen privatem Reichtum und öffentlicher Armut immer größer wird, und wenn die Rettungsschirme für Banken, Konzerne und Manager von den kleinen Leuten mit Lohndumping, Arbeitslosigkeit und Armut bezahlt werden sollen, dann werden immer mehr Menschen in die Arme von rechten Hasspredigern und Demagogen getrieben.

Die wirksamste Waffe gegen die dumpfen und ausländerfeindlichen Parolen der Nazis ist und bleibt eine Politik für mehr soziale Gerechtigkeit. Wir wollen in Deutschland nie wieder Unfreiheit, Intoleranz, Rassismus, Fremdenhass und Antisemitismus zulassen. Wir wollen an diesem Tag hier am Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Krieg auf dem Friedhof Ohlsdorf ein Zeichen der Stärke setzen. Und wir wollen zeigen, dass es lohnt, an unserer freiheitlichen Gesellschaft weiterzubauen und sie damit zu stärken, nach innen und nach außen.

Gedenken heute ist Handeln

Faschismus war und ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen

ver.di Hamburg versteht sich als Teil der antifaschistischen Bewegung unserer Stadt. Die Gewerkschaft hat einen engagierten Arbeitskreis Antirassismus, macht mit bei Aktionen und Protesten gegen Aktivitäten von Neonazis, beteiligt sich aktiv an der antifaschistischen Erinnerungsarbeit – etwa am 8. Mai und am Tag der Bücherverbrennungen, am 10. Mai –, hat eine Patenschaft für die Restaurierung des Operationssaals II des ehemaligen Häftlingskrankenhauses im KZ Buchenwald übernommen, zählt zum Trägerkreis des Bertini-Preises und hat mit der Herbert-Wehner-Medaille selbst einen Preis gestiftet, mit dem aktive Erinnerungsarbeit wie der Einsatz gegen neonazistische Umtriebe gewürdigt werden. Das Selbstverständnis, aus dem diese Aktivitäten gespeist werden, zeigt sich in der Rede, die Wolfgang Rose als ver.di-Landesleiter zum Gedenken an den 8. Mai 1945 am Mahnmal für die Opfer von Faschismus und Krieg auf dem Friedhof Ohlsdorf gehalten hat.

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https://hamburg.verdi.de/politik2/antirassismus