Ausgabe 06/2011
Unter diesen Umständen arbeiten wir nicht
Fotos: Bert Bostelmann/Bildfolio
Jörg Wehling, Sportredakteur beim Mindener Tageblatt:
Seit zwei Jahren bin ich fest angestellt, davor war ich sieben Jahre Freier. Es ist total wichtig, dass wir mit unserer kleinen Berufsgruppe möglichst kompakt auftreten. Die Arbeitgeber wollen einschneidende Maßnahmen, die so erheblich sind, dass es einen guten Grund gibt, zu protestieren. Ich habe das Gefühl, dass ich zu den Letzten gehöre, die noch einen festen Vertrag bekommen haben. Zum ersten Mal in meinem Leben bekomme ich Weihnachts- und Urlaubsgeld. Dies sollten auch noch Kolleginnen und Kollegen nach mir bekommen.
Alexander Thomys, Freier beim Reutlinger Generalanzeiger:
Ich möchte mit meinem Protest etwas zurückgeben. Die dju in ver.di hat dafür gesorgt, dass bei uns neue Vergütungsregeln durchgesetzt wurden. Vorher wurden 26 bis 40 Cent pro Zeile gezahlt, jetzt bekommen wir 62 Cent. Ich bin seit sechs Jahren Freier. Wenn die Arbeitgeber sich mit den Kürzungen durchsetzen können, werden auch die Freien angetastet, dann bekommen wir auch wieder weniger.
Karin Dengel, Redaktionsassistentin beim Reutlinger Generalanzeiger:
Wir wollen keine Verschlechterungen. Bisher haben wir die 35-Stunden-Woche. Der Samstag soll reguläre Arbeitszeit werden, es ist anzunehmen, dass sie uns auch die Zuschläge für den Sonntag streichen wollen. Ich befürchte auch, dass uns das Weihnachtsgeld gekürzt werden soll. Die Arbeitgeber haben angekündigt, nicht mehr wie bisher, automatisch das Tarifergebnis für die Druckbeschäftigten auch für uns zu übernehmen.
Vincent Meissner, Volontär beim Schwäbischen Tagblatt in Tübingen:
Ich habe im Oktober im ersten Jahr als Volontär angefangen. Die Forderungen der Arbeitgeber widersprechen meinem gesunden Menschenverstand. Mich würde es direkt betreffen, wenn die Arbeitgeber sich mit dem Tarifvertrag 2 durchsetzen würden. Dies ist ein regelrechter Angriff auf das Berufsbild des Journalisten, vor allem, weil die Verlage keine Not leiden.
Sabine Neulinger, Notendruckerin bei Giesecke & Devrient in München:
Ich will unter gar keinen Umständen mehr arbeiten. Die 35-Stunden-Woche haben Kolleginnen und Kollegen vor mir erkämpft. Deshalb ist es meine Pflicht zu protestieren.
Helmut Arndt, Tiefdrucker bei Prinovis in Nürnberg:
Wir bestreiken den Betrieb und sind mit 25 Beschäftigten nach Frankfurt gekommen. Wir wollen, dass der Manteltarifvertrag erhalten bleibt. Sonst stehen wieder Arbeitsplätze auf dem Spiel. Wir wollen die 35-Stunden-Woche behalten, die Besetzungsregelungen und den Facharbeiterschutz.
von Silke Leuckfeld
Der Manteltarifvertrag für die Druckindustrie bleibt für drei Jahre unverändert, die 35-Stunden-Woche wurde erfolgreich verteidigt. Das ist die wichtigste Nachricht. In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni hatten ver.di und der Druckarbeitgeberverband bvdm nach 13 Stunden zähen Ringens in der sechsten Verhandlungsrunde nicht nur den Manteltarifvertrag verlängert, sondern auch eine Einmalzahlung in Höhe von 280 Euro für Vollzeitbeschäftigte (140 Euro für Auszubildende) für das laufende Jahr, zwei Prozent mehr Lohn ab August 2012 und eine weitere Einmalzahlung von 150 Euro (75 Euro für Auszubildende) für das Jahr 2013 beschlossen. Der Lohnabschluss hat eine Laufzeit von 33 Monaten bis zum 31. Dezember 2013. Gelten wird der Manteltarifvertrag für die 160.000 Beschäftigten der Druckindustrie nun bis 31. März 2014.
Noch am Nachmittag schien es unwahrscheinlich, dass ein Abschluss möglich sein würde. Die Vertreter des Bundesverbandes Druck und Medien (bvdm) boten lediglich eine Einmalzahlung für das laufende Jahr und für das Jahr 2013 und 1,5 Prozent mehr Lohn für 2012 an. Dieses „Angebot“ war aber an die Bedingung geknüpft, dass der Manteltarifvertrag massiv verschlechtert würde. Die Arbeitgeber wollten nicht nur die Arbeitszeit verlängern, sondern auch die Maschinenbesetzung ändern. Es sollten neben Facharbeitern auch fachfremde Kräfte eingesetzt und die Zahl der Beschäftigten pro Druckmaschine reduziert werden. Dagegen haben sich die Beschäftigten mit einer machtvollen Streikwelle gewehrt: In den vergangenen Wochen wurde in rund 100 Betrieben die Arbeit niedergelegt.
Auch wenn die lange Laufzeit, die geringe Lohnerhöhung und die nicht durchgesetzte Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ für Leiharbeitnehmer für die Streikenden kein befriedigendes Ergebnis sind, war dieser Arbeitskampf erfolgreich. Das zeigt auch die Reaktion des bvdm. Mit der Weigerung den Manteltarifvertrag zu verschlechtern, „hat ver.di nach Meinung der Arbeitgeber den nötigen Paradigmenwechsel im starren Tarifwerk der Branche verpasst“. bvdm-Verhandlungsführer Dr. Wolfgang Pütz betonte: „Die Gewerkschaft hat sich damit leider notwendigen strukturellen Anpassungen verschlossen.“
Zähe Verhandlungen
Die Beschäftigten der Druckindustrie kämpften gemeinsam mit Verlagsangestellten und Redakteur/innen. Die parallel laufenden Tarifverhandlungen mit dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) gestalteten sich ebenso zäh. Da den Verlegern meist die Druckmaschinen gehören, auf denen ihre Zeitungen hergestellt werden, saßen sie auch bei den Verhandlungen mit dem bvdm mit am Tisch. Gerade die Arbeitgeber der Zeitungsdruckbetriebe drängten nach Meinung von Beobachtern auf einen Abschluss. Allein im Juni hatten sich rund 3000 Journalist/innen an Warnstreiks beteiligt.
Am 9. Juni demonstrierten 3000 Beschäftigte aus allen drei Berufsgruppen gemeinsam auf dem Römerberg in Frankfurt am Main. „Journalisten, Verlagsangestellte und Drucker sollen mehr arbeiten für weniger Geld. Diese Forderungen tragen nicht zufällig die gleiche Handschrift“, stellte Ulrich Janßen, Bundesvorsitzender der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di fest. Für die Redakteure gingen die Wünsche der Arbeitgeber sogar noch weiter: Sie wollten das Urlaubsgeld streichen, für jeden neu abgeschlossenen Arbeitsvertrag einen Tarifvertrag 2 einführen, der mehr als 25 Prozent weniger Einkommen bedeuten würde.
Gekündigt waren in beiden Tarifrunden sowohl die Mantel- als auch die Gehaltstarifverträge. Frank Werneke, stellvertretender ver.di-Vorsitzender und ver.di-Verhandlungsführer für die Journalisten und die Druckindustrie, sagte deutlich: „In dieser Tarifrunde entscheidet sich, ob wir künftig nur noch Tarifergebnisse haben, die das Ergebnis von Erpressungen sind.“ Davon hänge ab, ob es auch in Zukunft noch Flächentarifverträge gebe. An die Adresse der Arbeitgeber sagte er: „Haben wir kein Ergebnis, haben wir auch für lange Zeit keine Friedenspflicht. Wir haben die Kraft, diese Tarifrunde auf lange Sicht zu führen.“ Zumindest für die Druckindustrie war dieser Hinweis erfolgreich.
Die ebenfalls sechste Verhandlungsrunde mit dem BDZV war bis Redaktionsschluss noch nicht beendet. Die ver.di-Verhandlungskommission erwartete, dass nach dem Ergebnis mit den Druckern auch mit den Zeitungsverlegern ein Abschluss möglich ist, ohne dass der Manteltarifvertrag verschlechtert wird.
EXTRA-Ausgabe!
Für die zweite Juli-Woche ist zur aktuelleren Information der betroffenen Mitglieder – als Premiere – eine gemeinsame, reich bebilderte EXTRA-Ausgabe von MMM und der ver.di-Branchenzeitung DRUCK+PAPIER geplant. Sie wird nach einem breiten Verteiler direkt in die Druckbetriebe, Zeitungsredaktionen und ver.di-Geschäftsstellen versandt. Weitere Exemplare sind kostenlos erhältlich über die E-Mail-Adresse drupa@verdi.de oder Telefax 030 / 6956-3012. Ein PDF der EXTRA-Ausgabe steht gegen Ende der 27. Kalenderwoche unter www.drupa.verdi.de (Menüpunkt „Archiv“) und www.tarifrunde-print.verdi.de zum Download bereit.