Zukünftig noch flexibler streiken

FRANK WERNEKE ist ver.di- Verhandlungsführer für die Druckindustrie

ver.di PUBLIK | Kollege Werneke, der Lohnabschluss 2007 in der Druckindustrie liegt unter dem Ergebnis der IG Metall. Wie ist die Reaktion in den Streikbetrieben?

werneke | Es herrscht kein Jubel, es gab kritische Reaktionen. In der großen Tarifkommission dominierte aber stark die Einschätzung, dass das Ergebnis den Kräfteverhältnissen in der Druckbranche entspricht. Das sehen die meisten Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben auch so. Und es ist auch ein respektabler Abschluss. Wichtig ist auch die Verlängerung des Tarifvertrags zur Altersteilzeit bis Ende 2009. Wir hatten in dieser Lohnrunde erneut mit Tarifflucht zu kämpfen, wichtige Betriebe sind aus dem Flächentarifvertrag herausgebrochen worden. Das steigert nicht gerade unsere Durchsetzungsfähigkeit. Aber wenn man unseren Abschluss mit Metall vergleicht, muss man sehen, dass aktuell die wirtschaftliche Entwicklung im Durchschnitt dieser Branche besser ist als die der Druckindustrie.

ver.di PUBLIK | Ist das Arbeitskampfmittel "Warnstreik" in der Druckindustrie im Lauf der Jahre ein wenig stumpf geworden?

werneke | Die Betriebe, insbesondere die Zeitungsverlage, sind in der Tat nach all den Jahren Streikerfahrung einigermaßen vorbereitet. Rechtzeitig werden Streikbrechertrupps ins Trainingslager geschickt, um so zu versuchen, die Wirkung unserer Warnstreiks zu begrenzen. Aber das gelingt den Unternehmen trotzdem nur bedingt. Sie haben erhebliche Mehrkosten, die Aktualität der Zeitungen nimmt ab, die wirtschaftlich wichtigen Werbebeilagen können nicht erscheinen, Lokalausgaben müssen zusammengelegt werden.

ver.di PUBLIK | Aber dass in der Druckindustrie praktisch jedes Mal gestreikt wird...

werneke | ...mag auf Außenstehende etwas ritualhaft wirken. Aber wir haben es leider mit Arbeitgebern zu tun, die immer nur unter Druck bereit sind, sich am Verhandlungstisch überhaupt zu bewegen. Ohne Warnstreiks läuft leider so gut wie nichts. Für dieses Jahr ist übrigens festzustellen, dass wir verstärkt sehr flexibel streiken konnten, wenn während der laufenden Produktion spontan Warnstreiks begannen und zwei, drei Stunden später, wenn die Streikbrechertrupps zusammengetrommelt waren, der Warnstreik wieder beendet wurde. Das alles hat zu entsprechendem Tohuwabohu geführt. Wir werden daher in Zukunft noch stärker versuchen, auf solche flexiblen Warnstreikformen zu setzen.

ver.di PUBLIK | Die Unternehmer behaupten, höhere Lohnzuwächse würden weitere Arbeitsplätze vernichten. Ist da was dran?

werneke | In Betrieben, die wirtschaftlich besonders gut dastehen, werden eher überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze gestrichen. In den Jahren 2005 und 2006 hat es in der Branche eine Lohnsteigerung von gerade einmal einem Prozent gegeben - also paradiesische Zustände für die Arbeitgeber. Sie haben dennoch in unverändertem Maß Arbeitsplätze abgebaut. Lohnzurückhaltung sichert keine Arbeitsplätze.