Ein Erstklässler mit 84 Jahren

DGB-FILMPREIS | Der Film The First Grader (Der Erstklässler) erhält den mit 5000 Euro dotierten diesjährigen Filmpreis des DGB-Bezirks Niedersachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt. Der DGB-Preis wurde in diesem Sommer bereits zum 14. Mal vergeben und ehrt gesellschaftlich besonders engagierte Filme. Der Spielfilm des britischen Regisseurs Justin Chadwick erzählt das Schicksal eines 84-jährigen Kenianers und seinen Kampf um sein Recht auf Bildung. Der hoch betagte Mann berief sich auf das von der Regierung in Kenia neu geschaffene Grundrecht auf Bildung und wollte in einer kleinen Grundschule im afrikanischen Busch Lesen und Schreiben lernen. Der Film erhielt beim 22. Internationalen Filmfest Emden-Norderney die höchste Wertung durch das Publikum. Neben dem DGB-Preis bekam Chadwick für seinen Film den Bernhard-Wicki-Preis, den Hauptpreis des Filmfestes.

Der Regisseur, der eine wahre Begebenheit mit Rückblenden auf die Geschichte der Mau-Mau-Aufstände im Kenia der 1950er Jahre und die Gräueltaten der britischen Regierung erzählt, sagt: "Hinter meiner realen Figur verbirgt sich eine gesamte Nation. Betrachtet man seine Erlebnisse, erfährt man, was Kenia unter der britischen Kolonialherrschaft durchgemacht hat." Ebenso wie die Produzenten des Films hofft nun auch der DGB darauf, dass der Film in die deutschen Kinos kommt. Das Filmfest Emden-Norderney gehört zu den bundesweit beachteten und international anerkannten Festivals.


Aufgeschrieben in Hannover: Aufstieg und Krise der SPD

BUCHTIPP | Der Titel des Buchs von Max Reinhardt klingt zunächst banal: Aufstieg und Krise der SPD (Nomos Verlag). Doch bei der Lektüre der gut 700 Seiten wird deutlich, dass der promovierte hannoversche Wissenschaftler ein Grundsatzwerk mit Pioniercharakter vorgelegt hat. Dafür spricht - wie vom Politologen Michael Vester im Vorwort beschrieben - schon das reichhaltige neue Inhaltsmaterial. Besonders ergiebig für das Verständnis politischer Entwicklungen und sozialer Wandlungsprozesse ist jedoch Reinhardts Methode, die Partei unter biografischen, sozialpolitischen, wirtschaftlichen und machtpolitischen Aspekten zu beleuchten. Um das Ergebnis der Untersuchung vorweg zu nehmen: Die SPD steckt laut Reinhardt deshalb in der Krise, weil sozialdemokratische Spitzenpolitiker nicht mehr für Mitglieder und Wähler wie im früheren Maße repräsentationsfähig sind.

Reinhardt untersucht in Biografien und Interviews zwei Generationen von SPD-Spitzenpolitikern. Da ist die Nachkriegsgeneration, die Nationalsozialismus und zweiten Weltkrieg miterlebt hat: So wie der Postgewerkschafter und ehemalige DGB-Chef Ernst Breit, aber auch Berufspolitiker wie Anke Fuchs, Hans Koschnick oder Peter von Oertzen. Und da ist die Urenkelgeneration nach Lafontaine und Schröder - wie Sigmar Gabriel, Andrea Nahles oder Frank-Walter Steinmeier. Gleichzeitig analysiert Max Reinhardt die Entwicklung von Strömungen und Richtungskämpfen seit 1945. Gemeinsam aber ist beiden Teilen die aktuelle und grundsätzliche Fragestellung am Beispiel der SPD: Warum die großen Volksparteien so nachhaltig Anhänger verloren haben.

Dr. Max Reinhardt: Aufstieg und Krise der SPD, Flügel und Repräsentanten einer pluralistischen Volkspartei. 2011, 628 S., Broschiert, ISBN 978-3-8329-6575-4, 99 €