Ja, ja, der Bundespräsident! Wann und wo hört man schon mal solche Worte von ihm? "Unser Land wäre ohne Gewerkschaften materiell ärmer, aber auch an Gemeinsinn und Engagement." Die Arbeit in sozialen Berufen wie Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Kitas müsse endlich "mehr wert" sein, der Missbrauch von Leiharbeit und Minijobs sei nicht in Ordnung. Und es bleibe "eine Zumutung für das moralische Empfinden, dass der aufopferungsvolle Dienst am Menschen so viel schlechter bezahlt wird als manche Tätigkeit, deren Beitrag zum Gemeinwohl weit weniger offensichtlich ist". Prima, Christian Wulff! Mehr davon! Und nicht nur am Sonnabend auf dem ver.di-Bundeskongress!

Was fehlt uns noch?

1000 Delegierte, und ich bin eine von ihnen. Ich komme aufgetankt mit neuen Ideen und Energie wieder zurück nach Hamburg. Warum? Weil wieder klar geworden ist, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr erreichen können. Weil "Gerecht geht anders" kein Werbeplakat ist, sondern gelebte Solidarität. Ich habe viel erfahren von den Kolleg/innen in Nord und Süd, Ost und West. Und viele wollten auch von mir wissen, was genau ver.di Hamburg so stark gemacht hat. Menschenkette, Kampf gegen Privatisierung, Organizing - hier hat Hamburg etwas zustande gebracht, von dem andere lernen wollen. Überhaupt: Wertschätzen stand hoch im Kurs in Leipzig. Aber es wurde auch gefragt, was uns noch fehlt.

Besonders beeindruckt haben mich die Kolleg/innen von Schlecker: Nach den üblen Maßnahmen der Unternehmensteilung, des Tarifdumpings und der Androhung von Kündigung für Tausende ist es den Betriebsräten und den Beschäftigten der Drogeriekette mit ver.di gelungen, ein Verbot von konzerninterner Leiharbeit zu erreichen, die Bildung von Betriebsräten voran zu treiben und Tarifverträge durchzusetzen.

Bei der Telekom konnte die Zahl der Ausbildungsplätze und die Übernahme von 3700 Auszubildenden auf Vollzeitarbeitsplätze tariflich gesichert werden - ein weiterer Erfolg, der vielen Menschen eine Perspektive gibt.

Und Frank Bsirske erinnerte an die zwölf Wochen Streik der Kitas, an "phantasievolle, öffentlichkeitswirksame Aktionen und als Beispiel für Streikführung vor Ort" - mit einem Tarifabschluss als Kompromiss am Ende. Überhaupt: Es lohnt sich, die Rede des Vorsitzenden in Ruhe nachzulesen - danach sind auch wieder die Fundamente sichtbar, auf denen wir uns gemeinsam bewegen.

Rührend: der "Hamburg-Abend" am Ende des zweiten Tages. Dort verabschiedeten wir vier Kollegen aus der aktiven Gewerkschaftsarbeit: Hartmut Schacht, Jens Amthor, Uwe Dorn und Bernt Kamin-Seggewies.

Nach der Aussprache am dritten Tag folgte ein Wahlmarathon, der ohne Überraschungen ausging. ver.di hat einen neuen Gewerkschaftsrat und einen neuen Bundesvorstand mit vielen neuen Mitgliedern, insbesondere Frauen - sehr erfreulich! Bei mir hat dieser Kongress den Tatendrang gestärkt: Ich freue mich auf die gewerkschaftliche Arbeit in Hamburg - mit Euch.