Warnstreik in Hamburg_5_Taro_Tatura.jpg
Die Demonstrierenden berufen sich auf den ehemaligen Hamburger Innensenator und späteren Bundeskanzler Helmut Schmidt, SPDFoto: Taro Tatura

Während der Tarifrunde für die rund 2,5 MillionenTarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen, kurz TRöD, sind viele Superlative genannt worden: die höchste Forderung seit Jahrzehnten, angesichts der höchsten Inflation seit Jahrzehnten, die stärkste Streikbewegung im öffentlichen Dienst seit Jahrzehnten.

Eines soll dabei aber nicht aus dem Blick geraten: Die hohe Streikbeteiligung mit zuletzt allein 6.000 Streikenden in Hamburg wurde nur möglich, weil sich hunderte ehrenamtliche Kolleg*innen in den Betrieben und Dienststellen von Anfang an in der Tarifrunde engagiert haben. 375 Tarifbotschafter*innen, kurz TaBos, haben sich allein in Hamburg seit Herbst 2022 in die Tarifrunde eingebracht. Sie haben zu Beginn die Forderungsdiskussion in die Betriebe getragen, in der Planung und in der heißen Phase die Rückkoppelung mit den Kolleg*innen in den Betrieben sichergestellt, Schulungen besucht, für die Streiks mobilisiert und – nicht zuletzt – so auch die Mitgliederwerbung vorangebracht.

Warnstreik in Hamburg_3_Peter_Bisping.jpg
Foto: Peter Bisping

Unmittelbar nach jeder Verhandlungsrunde haben der ver.di-Bundesvorsitzende Frank Werneke und seine Stellvertreterin Christine Behle in Videokonfe- renzen die Tarifbotschafter*innen über den Stand der Verhandlungen informiert. So hatten sie alle Informationen aus erster Hand. Besonders wertvoll war aus Sicht der Beteiligten, dass mehrmals im Verlaufe der Tarifrunde die Hamburger TaBos betriebsübergreifend im Rahmen sogenannter Arbeitsstreiks zusammengekommen sind, gemeinsam die weitere Strategie beraten und sich über gemachte Erfahrungen ausgetauscht haben.

Marc Lienow, Krankenpfleger und Tarifbotschafter bei Asklepios, zieht Bilanz: "In meinem Krankenhaus gibt es in fast jedem Bereich Tarifbotschafter*innen. Die Kolleginnen und Kollegen haben Lust, sich konkret zu engagieren, ohne, dass sie gleich für mehrere Jahre einem Gremium angehören wollen. Die jüngste ist 18, die älteste ist 64 Jahre alt. Die TaBos sind super motiviert, weil sie sich mit der Tarifarbeit identifizieren und ganz nah an den Verhandlungen sind. Zum Beispiel können sie in den Videokonferenzen nach den Verhandlungen direkt die Fragen stellen, die in ihrem Betrieb eine Rolle spielen. Wir haben in fast jedem Team TaBos, so ermöglichen sie den direkten und schnellen ver.di-Kontakt zu den Beschäftigten, sind quasi das Gesicht von ver.di. Auch Fragen können wir sehr schnell klären, das kann ein Flugblatt gar nicht leisten. Ich würde mir wünschen, dass wir diese Möglichkeit zukünftig noch mehr nutzen."

Warnstreik in Hamburg_1_Peter_Bisping.jpg
Foto: Peter Bisping

Ole Borgard, stellvertretender Landesleiter bei ver.di Hamburg, sagt: "Von den ersten Stärketests über die Warnstreiks in einzelnen Betrieben bis hin zum großen Streiktag mit 6.000 Streikenden haben wir eine steil wachsende Beteiligung gesehen. Das hat sicher eine Ursache in der hohen Bedeutung, die ein guter Abschluss gerade in dieser Zeit mit der extrem hohen Inflation hat. Aber wir wissen aus anderen Krisenzeiten: Die Not alleine führt nicht automatisch zu mehr Beteiligung. Damit die Menschen sich beteiligen, müssen wir sie informieren und einbinden. Das können wir mit Hilfe unserer Tarifbotschafter*innen sicherstellen. Seit Beginn der Forderungsdiskussion waren sie für ihre Kolleg*innen Ansprechpartner*innen für die Tarifrunde. Dafür gebührt ihnen ein riesengroßer Dank!"

Warnstreik in Hamburg_7_Taro_Tatura.jpg
Da war was los in Hamburg: Verschiedene Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes demonstrierten und streikten in der HansestadtFoto: Taro Tatura

Im Verlauf der Tarifrunde bis zum Scheitern haben in Hamburg mehrere tausend Kolleg*innen mitgestreikt. In den ersten Streiks noch im Rahmen von Branchentagen, so die Sozial- und Erziehungsdienste am 8. März, es folgten die Hafenbehörde HPA, Staatsoper und Stadt- reinigung, das Gesundheitswesen, der Flughafen und schließlich am 23. März alle zusammen. Am Ende stand der Infrastrukturstreik am 27. März, zusammen mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Bei Redaktionsschluss liegt das Tarifergebnis aus der Schlichtungsverhandlung vor, die ver.di-Mitglieder werden dazu vom 4. bis zum 12. Mai befragt. Auf Basis dieses Ergebnisses entscheidet die ver.di-Bundestarifkommission für den öffentlichen Dienst am 15. Mai endgültig über Annahme oder Ablehnung.