Wenn nichts mehr geht: verzweifelter Banker

Griechenland erwirtschaftet gerade einmal 2,6 Prozent der Wirtschaftsleistung in der EU - und soll die gesamte Währung in den Ruin treiben können? Während die Griechen mit immer neuen Sparprogrammen drangsaliert werden, die niemals zum Ziel führen können, gerät die eigentliche Ursache der aktuellen Krise aus dem Blickfeld: Die EU-Länder mussten in der Finanzkrise vor drei Jahren Hunderte von Milliarden Euro aufbringen, um wankende Banken vorm Zusammenbruch zu bewahren. Das hat die Staatshaushalte vieler Länder ruiniert und die Staatsverschuldung in extreme Höhen getrieben. Irland und Portugal mussten deshalb bereits vor einigen Monaten von EU-Staaten und dem Internationalen Währungsfonds IWF "gerettet" werden, andere Länder wie Spanien und Italien gelten als gefährdet.

Kettenreaktion nicht mehr ausgeschlossen

Immer größere Bürgschaftsschirme werden von den Euroländern aufgespannt. Letztlich geht es dabei erneut um die Stabilisierung des Banken- und Finanzsystems. Denn es sind vorwiegend Geldhäuser, die die staatlichen Schuldscheine gekauft haben und sie nun in großem Umfang aufgrund des geringen Marktwerts wertberichtigen oder ganz abschreiben müssen. Die erste Bank, die erneut durch staatliche Garantien abgesichert wurde, ist die französisch-belgische Dexia-Bank. Noch im Sommer hatte sie den "Stresstest" ohne Probleme bestanden, doch nun steht sie am Abgrund.

Wieder heißt es, sie sei zu groß, um Pleite zu gehen, weil ihr Fall andere Banken mit in den Abgrund reißen und dadurch ein Dominoeffekt ausgelöst würde. Genau wie viele deutsche Banken hat auch sie viele Staatsanleihen aus Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Italien im Depot. Die galten bis vor kurzem ja auch als risikofreie Anlage und mussten entsprechend von den Geldhäusern nicht besichert werden. Kommt es hier jetzt zu massiven Ausfällen, wird ganz schnell auch der deutsche Staat wieder gefragt sein, um eine Kettenreaktion zu verhindern. Die Rettungsschirme nützen also tatsächlich zum Großteil den Ländern, in denen die Gläubigerbanken sitzen.

Erneut sind die Regierungen damit zu Geiseln des Bankensektors geworden - genau wie 2008. Damals hieß es unisono: Ein zweites Mal darf so etwas nicht passieren. Die Banken sollten verkleinert werden, damit sie wie jeder andere Betrieb auch Pleite gehen können, ohne dass gleich die gesamte Volkswirtschaft zu kollabieren droht. Zu sehen ist davon allerdings nichts. Im Gegenteil: In Deutschland hat der Staat sogar kräftig mitgeholfen, damit die Commerzbank die Dresdner Bank schlucken konnte, und auch die Deutsche Bank hat sich inzwischen die Postbank einverleibt.

Die Lasten tragen wieder die Steuerzahler

Außerdem sollte eine europäische Finanzaufsicht eingerichtet werden. Auch hier: Umsetzung Fehlanzeige. Die Trennung hochriskanter Finanzgeschäfte vom eigentlichen Bankgeschäft hat ebenfalls nicht stattgefunden, und auch eine Regulierung der hochkomplizierten Finanzprodukte ist ausgeblieben. Hedgefonds sind ebenso weiter auf dem Markt aktiv wie neu hinzugekommene, völlig unkontrollierte "High-Frequency-Trader", die mit ultraschnellen Computern täglich Millionen von Aktienkäufen und -verkäufen abwickeln und dabei winzige, oft nur Bruchteile von Sekunden existierende Kursunterschiede an verschiedenen Börsen weltweit nutzen. Volkswirtschaftlich macht das keinen Sinn - aber den Kunden solcher Händler kann es Millionen einbringen.

Derweil werden viele Banken einmal mehr von der aktuellen Schuldenkrise profitieren: Weil der EU-Vertrag den nationalen Zentralbanken ebenso wie der europäischen Zentralbank (EZB) verbietet, den Staaten direkt Geld zu leihen, müssen bei der Kreditaufnahme Geschäftsbanken dazwischengeschaltet werden. Die bekommen das Geld von der EZB deutlich billiger als sie es an die klammen Regierungen weiterreichen. An den Kosten der aktuellen Krise beteiligen sich die privaten Finanzinstitute dagegen so gut wie nicht; die Lasten tragen erneut die Steuerzahler.

Gewerkschaften schlagen neue Bank vor

Neun Gewerkschaftsvorsitzende haben in einer gemeinsamen Anzeigenkampagne dafür geworben, dass der Bundestag dem Euro-Rettungsschirm zustimmt. Selbstverständlich war auch der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske dabei. Um das europäische Projekt zu verteidigen, gebe es aktuell keinen anderen Weg, schreiben die Gewerkschafter.

Zugleich weist der DGB darauf hin, dass die aktuelle Staatsschuldenkrise keineswegs durch überbordende Sozialausgaben oder einen aufgeblähten öffentlichen Dienst verursacht wurde, sondern auf die Rettung zahlreicher Banken in der Finanzkrise 2008 zurückzuführen ist. Damals haben sich die Schulden Irlands im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt vervierfacht, in Griechenland und Portugal stiegen sie um 50 und in Deutschland um 20 Prozent. Finanzminister Wolfgang Schäuble, CDU, der europaweite Sparpakete und Schuldenbremsen kürzlich für unverzichtbar erklärte, liege deshalb falsch. Stattdessen gelte es, endlich die Macht der Finanz-konzerne und -jongleure zu begrenzen und die Profiteure an den Kosten zu beteiligen. Sogar einzelne Millionäre fordern inzwischen, die Steuern für Reiche zu erhöhen - allein die Regierung will nicht. Bisher bringt die Vermögenssteuer in Deutschland 2,3 Prozent der Steuereinnahmen; in den USA sind es immerhin 12,1 Prozent.

Der DGB unterstützt den Vorschlag zahlreicher Ökonomen, den Rettungsschirm ESFS als Bank zu konstruieren. Dann könnte er von der Europäischen Zentralbank Geld zu niedrigen Zinssätzen bekommen und wäre nicht auf die Zusammenarbeit mit Privatbanken angewiesen, die bisher bei solchen Geschäften kräftig verdienen. aje