von Vanessa Burkert

Der Zusteller sieht nur noch Pakete, Autos und Häuser, er arbeitet wie ferngesteuert

"Der Paketzusteller hat schon wieder nur so einen Abholschein eingeworfen. Super, jetzt kann ich extra zur Post rennen deswegen!" - "Ach bei dir auch, geht mir in letzter Zeit auch so! Wahrscheinlich ist er zu dumm zum Klingeln oder einfach zu faul! Wenn man nur sowas arbeiten kann, sollte man sich mal Gedanken über seine Qualifizierung und seinen IQ machen!" Dieses Gespräch ist so auf einer Internetseite für alle öffentlich zugänglich und spiegelt die Meinung vieler Kunden über Paketzusteller wider.

Markus kann bei solchen Aussagen nur den Kopf schütteln. Er arbeitet seit zehn Jahren als Paketzusteller. "Ich bin für ein Subunternehmen tätig, das wiederum von einem großen Paketdienstleister bezahlt wird", erzählt er. Durch den Druck des Paketdienstleisters auf das Subunternehmen müssen die Paketzusteller 10 bis 15 Stunden am Tag arbeiten und verdienen dabei nur sieben Euro die Stunde.

250 Pakete am Tag sind keine Ausnahme

"Die großen Paketdienstleister sehen nur noch Ihren Gewinn, bieten für die Kunden immer mehr Dienstleistungen an, und wir, die Subunternehmer und Paketzusteller, müssen darunter leiden. 250 Pakete, die wir am Tag ausliefern sollen, sind da schon lange nicht mehr die Ausnahme. Und wenn zu viele Pakete nicht ausgeliefert werden konnten, muss das Subunternehmen finanzielle Kürzungen in Kauf nehmen, was die Arbeitsbedingungen für uns Fahrer noch schlimmer macht", sagt Markus.

Neben dem reinen Zustellen der Pakete gehört auch der Kundenkontakt zu den Aufgaben von Markus und seinen Kolleginnen und Kollegen. Dazu erzählt er: "Der Kontakt zu den Kunden ist nicht immer so schön, wie es nach außen scheint. Immer öfter müssen wir uns harsche Beschwerden über Verspätungen oder so anhören. Und viele Kunden bedenken einfach nicht, dass wir auch von Umständen wie den Witterungsbedingungen oder dem jeweiligen Verkehr abhängig sind." Das heißt Druck von zwei Seiten. Von den Paketdienstleistern und den Kunden.

Einige seiner Kollegen sprechen im Zusammenhang mit dem großen Zustellungsdruck, unter dem sie stehen, von einem regelrechten Zustellungsrausch. Die Gedanken kreisen dann spiralförmig um die noch zuzustellenden Pakete. Man sehe nur noch Pakete, Autos und Häuser. Der gesamte Arbeitsprozess laufe wie ferngesteuert ab.

Hauptsache, die Uniform wird korrekt getragen

Ware aus dem Transporter holen, klingeln, Treppen rauf, so schnell es geht, das Paket loswerden, eine Unterschrift abholen, wenigstens ein bisschen freundlich sein und wieder zurück zum Transporter. Und das Ganze geht eine Straße weiter von vorne los. "Manche Kollegen und Subunternehmer haben wegen des Stresses schon aufgegeben. Die können nicht mehr. Wenn man nicht unter gewissen Standards direkt beim Paketdienstleister angestellt ist, ist der Druck schon enorm. Es existiert sogar ein Strafgeldkatalog für die Subunternehmer und die Fahrer, das muss man sich mal vorstellen. Da gibt es dann eben weniger Geld, wenn zu viele Pakete nicht zugestellt werden können, oder man die Uniform nicht korrekt trägt" , sagt Markus. "Und wenn man dann von Kunden noch hört, man sei faul, ist der Frust noch größer!"