Ausgabe 12/2011
Wie in einem schlechten Film
Der Ufa-Palast in Dresden wird zukünftig nur noch vom Theaterleiter per Festplatte bespielt. Wie er ohne Personal auf Pannen reagieren will, das weiß noch niemand
Auf der letzten Filmrolle, die Filmvorführer Steffen Kießling im November im Ufa-Palast einlegte, befand sich "Der Aushilfsgangster". Ab jetzt ändern sich die Zeiten in dem Dresdner Kino, es wird digital. Für die Filmvorführer im Haus bedeutet dies Abschied von ihrem Beruf und dem Kino. Denn ihnen wurde gekündigt. Und die Art und Weise der Entlassung kommt dem Filmtitel schon ziemlich nah.
Seit 25 Jahren arbeitet Steffen Kießling im Kino. Er ist Facharbeiter für Bild-, Ton- und Lichtwiedergabetechnik. Gegenwärtig erleben er und seine Kollegen den großen Umbruch im Kino, das Ende der alten Filmrolle: Die analoge Technik wird von der digitalen abgelöst. Die 30 Kilogramm schwere Filmrolle verschwindet aus den Kinos. Jetzt kommen die Filme auf einer Festplatte, manche auch schon über Satellit. Über den Zentralserver im Haus werden die Filme aufgespielt, erläutert Steffen Kießling. Die Eingabe erfolgt durch den Theaterleiter, Filmvorführer werden nicht mehr benötigt. Die Kinobesucher freut‘s, sie sehen schärfere, brillantere Bilder, aber die Arbeit der Vorführer fällt weg.
Steffen Kießling gibt seinen Beruf nach 25 Jahren auf
Es geht auch anders
Die Arbeitgeberin, die FSF GmbH & Co KG mit der Geschäftsführerin Marianne Riech, geht schon seit Jahren recht forsch mit der Belegschaft um und nutzt nun den Umbruch, um die letzten Vollzeitstellen im Kino abzubauen. Das Arbeiten im Kino ist mittlerweile immer mehr zum Aushilfs- oder Teilzeitjob geworden. Im Service überwiegen studentische Mitarbeiter. Derzeit sind es noch 30 Kolleg/innen, sechs davon in Vollzeitbeschäftigung. Zum Jahresende wird es keine Vollzeitstellen mehr geben. Änderungskündigungen mit Absenkung der Stunden sind schon ausgesprochen.
Die vom Betriebsrat vorgeschlagene Verhandlung über einen Sozialplan war gescheitert, auf Betreiben der Geschäftsführung wurde gleich die Einigungsstelle angerufen und ein schlechterer Sozialplan verabschiedet. Kolleg/innen, die die Änderungskündigung direkt angenommen haben, erhalten 0,5 Prozent des monatlichen Bruttogehalts pro Beschäftigungsjahr als Abfindung. Wer dagegen geklagt hat, erhält nur noch 0,4 Prozent. Die beiden Betriebsräte, einer davon ist Steffen Kießling, haben ein Angebot im Service erhalten. Das nimmt Kießling nicht an: "Ich will in der Technik arbeiten, Popkorn verkaufen, ist nicht so mein Ding." Er hat geklagt, wollte als Haustechniker weiterarbeiten und geht nun doch mit einer Abfindung.
Wie in den acht Sälen nach dem Wegfall der Kinovorführer und -techniker bei einer Panne schnell reagiert werden soll, weiß niemand. Alternativen gibt es: In anderen Kinos verlief die digitale Umstellung mitarbeiterfreundlicher. Beispielsweise bei UCI: Da gibt es im Sozialplan gute finanzielle Regelungen, und die Vorführer bleiben im Kino. Pro Schicht muss ein Filmvorführer im Haus sein, für die anderen gibt es Ersatzarbeitsplätze und Ausgleichszahlungen.
Ähnliche Regelungen hätte sich Kießling, der sich darüber mit dem ver.di-Ausschuss Kino austauscht, für sich und seine Kollegen auch gewünscht. Er wird seinen Beruf aufgeben.