Von Birgit Tragsdorf

Leipzig | Er kann sich richtig aufregen, wenn Arbeitgeber von Marktpreisen reden und ihre Beschäftigten meinen. Wenn diese im Krankenhaus auch noch eingeteilt werden in solche mit wichtigen oder nebensächlichen Tätigkeiten, platzt ihm der Kragen: Bernd Becker ist Gewerkschaftssekretär im Fachbereich drei - Gesundheit, Soziale Dienste, Wohlfahrt und Kirchen. Er ist zuständig für Beschäftigte im nichtmedizinischen Bereich der Krankenhäuser. Egal, ob sie in den Küchen, im Reinigungsbereich oder Transport arbeiten, gehören sie inzwischen in den meisten Krankenhäusern zu den in Tochtergesellschaften ausgegliederten Servicebereichen. Und das heißt für die meisten: abgesenkte Tarife - oder gar völlig außer Tarif zu arbeiten.

Seit 2009 gibt es ein von der ver.di-Bundesverwaltung initiiertes Projekt: Im Fachbereich 3 arbeiten bis 2014 fünf Projektsekretäre, die sich um die zersplitterte Tariflandschaft im Gesundheitswesen kümmern. Einer von ihnen ist Bernd Becker. 1971 geboren, lernte er erst bei Zeiss in Jena und nach dem Zivildienst noch einmal einen Pflegeberuf. Von der Rhön-Klinik in Bad Berka wechselte er nach Leipzig ins Herzzentrum, wurde zum Betriebsrat gewählt, kam in den Konzernbetriebsrat und engagierte sich als Ehrenamtlicher im Fachbereich und auf der Bundesebene. 2009 entschied er sich noch einmal für eine berufliche Veränderung und eine neue Herausforderung: Er bewarb sich als Projektsekretär. Inzwischen ist er fest bei der ver.di-Bundesverwaltung angestellt. Zum Einstand zwang er die Arbeitgeber der St. Georg Wirtschafts-und Logistikgesellschaft Leipzig an den Verhandlungstisch. "Habe ich früher auf der ehrenamtlichen Seite manches kritisiert, so stehe ich heute als Hauptamtlicher ganz anders in der Verantwortung. Die Kolleg/innen verlassen sich auf mich, ich muss - natürlich mit ihnen - was durchsetzen können und dabei noch so vielen wie möglich gerecht werden", beschreibt er seinen Berufsalltag.

Das geht nicht ohne Rückhalt in der Belegschaft

Wie er in den Krankenhäusern und den ausgegliederten Servicegesellschaften um Tarifverträge ringt, beschreibt er so: "Wenn Kolleg/innen zu uns kommen, weil sie mit ihren Arbeits- und Einkommensbedingungen nicht zufrieden sind, versuche ich erst einmal zu ergründen, was sie wirklich bewegt und was sie ändern wollen. Zuerst gibt es eine Mitarbeiterumfrage im Betrieb. Danach erst können mögliche Forderungen aufgestellt werden, und es muss auch eingeschätzt werden, ob diese Forderungen überhaupt durchsetzbar sind. Wie stark ist ver.di im Haus vertreten? Die Betroffenen müssen selbst bestimmen, was sie wollen und wie wir es gemeinsam durchsetzen können. Das geht nicht ohne Rückhalt in der Belegschaft", also nicht ohne Mitgliederzuwachs. In seinem Zuständigkeitsbereich hat er bisher 720 neue Mitglieder gewinnen können.

Bernd Becker bindet bei jedem Schritt die Leute ein und motiviert sie, ihren Forderungen auch Nachdruck zu verleihen - und zahlreich vor die Tür zu gehen, zum Streik bereit zu sein. Er vertritt Kolleg/innen, die in den Krankenhäusern vorwiegend im Niedriglohnbereich beschäftigt sind, oft in Teilzeit und zudem befristet. Es gibt viel zu tun: Es ist so, dass eine Reinigungskraft trotz Mindestlohn von 7,33 Euro und einer 40-Stunden-Woche mit zwei Kindern noch aufstocken muss, damit es zum Leben reicht.