"Bei der internationalen Zusammenarbeit merkt man ganz schnell, dass es nicht überall so brav zugeht wie in Schweden", so Markus Bielemeier, Euro-Betriebsrat

Von Jürgen Gottschlich

Istanbul | Für rund 100.000 Beschäftigte im weltweiten IKEA-Konzern fiel Anfang März in Istanbul eine wichtige Entscheidung. Bei einem mehrtägigen Treffen von 20 Gewerkschaften aus 14 Ländern wurde eine "IKEA global Union Alliance" gegründet, die zukünftig dafür sorgen soll, dass die Rechte der Beschäftigten in allen Ländern, in denen IKEA präsent ist, denen in Schweden und Deutschland angeglichen werden.

Die weltweite Allianz der Gewerkschaften, bei denen IKEA-Beschäftigte organisiert sind, soll vor allem die Kollegen in den Schwellen- und Drittweltländern unterstützen, in denen Gewerkschaften stark behindert werden und die gesamte arbeitsrechtliche Situation den westeuropäischen Verhältnissen noch stark hinterherhinkt.

Erst einmal einen Überblick verschafft

Gegründet wurde die Allianz für die IKEA-Mitarbeiter/innen unter dem Dach von UNI, dem weltweiten Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften mit Sitz in der Schweiz. Alke Bössiger, die aus dem UNI-Vorstand ab sofort für den IKEA-Gewerkschaftszusammenschluss zuständig ist, zog am Ende der Tagung eine fast überschwängliche Bilanz. Man habe in Istanbul sehr produktiv diskutiert. Die Arbeitsbedingungen in den verschiedenen Ländern seien verglichen worden, so dass alle erst einmal einen Überblick bekamen, wie die Situation vor allem in den Ländern außerhalb Europas ist. Das Gefälle zwischen einzelnen Ländern sei enorm, und die IKEA-Alliance will in Verhandlungen mit dem IKEA-Management jetzt dafür sorgen, "dass die guten Standards, die IKEA für sich beansprucht, auch überall gelten".

Das Treffen fand bewusst in Istanbul statt, weil alle Beteiligten hier gleich ganz anschaulich erfahren konnten, um welche Probleme es konkret geht. Seit zwei Jahren versucht die Gewerkschaft KOOP-Is, die für die Beschäftigten von IKEA zuständig wäre, in dem Betrieb Fuß zu fassen. Die IKEA-Angestellten in Istanbul und Ankara klagen über schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten und oft fehlende soziale Absicherung, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig angestellt werden, sondern auf Honorarbasis jobben müssen.

Damit in der Türkei eine Gewerkschaft tätig werden kann, muss sie nachweisen, dass sie mehr als 50 Prozent aller Beschäftigten im Betrieb vertritt. Arbeitgeber versuchen deshalb oft zu verhindern, dass die Gewerkschaft das Quorum erreicht. Und die angeblich so vorbildlichen Arbeitgeber mit dem Elch-Logo machen da am Bosporus keine Ausnahme. "Unsere Leute werden bedroht, wenn die Geschäftsführung erfährt, dass sie Gewerkschaftsmitglied geworden sind. Man versucht sie rauszuekeln und im schlimmsten Fall werden sie sogar einfach gefeuert", berichtete Metin Güney, der Generalsekretär von KOOP-Is in Istanbul.

Die freie Betätigung für Gewerkschaften ist ein Muss

IKEA hat sich bisher damit herausgeredet, dass die Häuser in der Türkei, wie übrigens auch in Griechenland und den Golf-Staaten, von Franchisepartnern und nicht von IKEA selbst betrieben werden. In der Türkei ist das die Firma MAPPA, die laut Güney, "nach außen zwar so tut, als würde sie Gewerkschaften akzeptieren, sich praktisch aber ganz anders verhält".

Der erste Punkt, den die gewerkschaftliche Allianz dem IKEA-Management deshalb jetzt präsentierte, ist, dass "in allen IKEA-Filialen weltweit der Zugang und die freie Betätigung für Gewerkschaften garantiert wird". "Das", so Alke Bössiger, "ist überhaupt die erste Voraussetzung, damit die Durchsetzung der IKEA-Standards erreicht werden kann". Insgesamt hat man sich auf 14 Punkte verständigt, die mit IKEA diskutiert werden sollen, darunter "faire Bezahlung", "gesunde Arbeitsbedingungen" und "institutionalisierte Gesprächsrunden zwischen Beschäftigten und Geschäftsführung", zur Förderung des Dialogs.

"Dialog" meinte Markus Bielemeier, der im IKEA-Lager in Dortmund arbeitet und die Beschäftigen im Europa-Betriebsrat vertritt, wird ja "bei IKEA immer ganz groß geschrieben". Bei der internationalen Zusammenarbeit merke man aber ganz schnell, dass es nicht überall auf der Welt so brav zugeht wie in Schweden. "Da wird auch schon mal mit härteren Bandagen gekämpft, wie man hier in der Türkei sieht."

Zur Tagung der Gewerkschafter/innen war an einem Tag auch die für die weltweite Personalplanung zuständige Managerin Petra Hesser dazugestoßen, um mit dem Dialog schon mal zu beginnen. Für ver.di war Ulrich Dalibor, Bereichsleiter Einzelhandel beim Bundesvorstand, in Istanbul. Er berichtete, dass nach IKEA auch andere globale Handelsriesen wie Metro mit ihren Ablegern Media-Markt und Saturn, die Klamottenladenkette H&M und Inditex, die Muttergesellschaft des spanischen ZARA-Konzerns, ins Visier genommen werden sollen. "Man darf die Kollegen in Deutschland aber auch nicht überfordern", warnte er. "Es gibt selbst bei uns, bei Metro und Aldi-Süd zum Beispiel, auch noch gewerkschaftsfreie Zonen."