Die Regierungskoalition versucht, die Löhne in der Pflege weiter zu drücken. So wird sie die Attraktivität der Pflegeberufe nicht steigern können

Mit dem Pflegebett im Regierungsviertel

von Heike Langenberg

"Wir brauchen gute Arbeit und gute Pflege. Das sind zwei Seiten ein und derselben Medaille: Es ist höchste Zeit für eine Revolution für Menschlichkeit in der Altenpflege", sagt der Pfleger Martin Nestele. "Gute Pflege ist, wenn Politik und Kostenträger die Leistung, die sie verlangen, auch angemessen honorieren. Gute Pflege darf nicht zum Privileg für finanziell gut ausgestattete Menschen werden", sagt die Altenpflegerin Carmen Kreiner. Das sind nur zwei Statements, die auf der Website www.buendnis-fuer-gute-pflege.de stehen, mit der sich ver.di und zahlreiche andere Organisationen für das Menschenrecht auf gute Pflege stark machen.

Wenig von diesem Verständnis guter Pflege steckt hingegen in dem Referentenentwurf zur Pflegeversicherung, den das Bundesgesundheitsministerium Mitte Februar vorgelegt hat. Bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sind darin kein Thema.

Zwar gesteht der Entwurf niedergelassenen Ärzt/innen rund 80 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen zu. Für die beruflich Pflegenden werden hingegen deutliche Verschlechterungen der Lohn- und Arbeitsbedingungen festgeschrieben. "Die Pflegebeschäftigten sollen auf den Mindestlohn gedrückt werden, anstatt die Arbeitgeber zu zwingen, wenigstens die ortsübliche Vergütung zu zahlen", kritisierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke. Der Pflegemindestlohn liegt bei 7,75 Euro im Osten und 8,75 Euro im Westen Deutschlands.

Hinzu kommt, dass die Pflegekassen nach dem Entwurf leichter Verträge mit Einzelpersonen abschließen können. ver.di befürchtet, dass so mehr Soloselbstständige beschäftigt werden, die keinen tarifvertraglichen Schutz genießen. Lohndumping sei damit programmiert, heißt es in einer ver.di-Stellungnahme zu dem Entwurf.

Die Richtlinienkompetenz für die personelle Ausstattung der Einrichtungen bleibt nach dem Entwurf weiter bei den Pflegesatzparteien auf Länderebene. Das hat schon in der Vergangenheit zu sehr unterschiedlichen personellen Ausstattungen und damit auch zu sehr unterschiedlicher Qualität in der Pflege geführt. Für ver.di ist die unzureichende Personalbemessung in den Pflegeeinrichtungen eine wesentliche Ursache der Arbeitsbedingungen, die zu Lasten der Gesundheit der Pfleger/innen gehen.

Struktureller Reformbedarf

"Die geplante Pflegereform des Bundesgesundheitsministeriums bringt Leistungsverbesserungen, vernachlässigt aber den strukturellen Reformbedarf und trägt möglicherweise sogar zu einer weiteren Zersplitterung in der ohnehin unübersichtlichen Versorgungslandschaft der Pflege bei", kritisiert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in einer Stellungnahme. Vermisst wird unter anderem das Kernstück einer Reform, die Umsetzung eines neuen Begriffs der Pflegebedürftigkeit. Der DGB kritisiert außerdem, dass der Schwerpunkt des Entwurfes allein auf einer Stärkung der familiären Pflege liege. Stattdessen müssten aber professionelle und familiäre Leistungen besser miteinander verzahnt werden.