Ausgabe 02/2012
Täglich ans Klavier
Mein Arbeitstag beginnt morgens mit Unterrichtsvorbereitungen. Dann spiele ich Klavier, denn das eigene Üben steht auch auf dem Plan. Um die Mittagszeit fahre ich in die Musikschule nach Dortmund und unterrichte Klavier, von circa 14 bis 20 Uhr. Meine Schülerinnen und Schüler sind zwischen sechs und 50 Jahre alt, eine Altersbeschränkung gibt es nicht. Wer Interesse an Musik hat, wird an der Musikschule aufgenommen. Was der Unterricht kostet, hängt davon ab, wie groß die Gruppe ist. Beim Klavier geht es meist um Einzel- und Zweierunterricht. Kinder, die Sozialleistungen von der Stadt Dortmund bekommen, bezahlen nur die Hälfte. Auch Geschwister bekommen eine Ermäßigung.
Das Schöne an meinem Beruf ist, Menschen für Musik zu begeistern und zu sehen, dass sie mit Musik groß werden. Am meisten Spaß habe ich, wenn Schülerinnen und Schüler Inhalte aus dem Unterricht umsetzen, zu Hause üben und somit Fortschritte erzielen. Ich halte meine Arbeit für wichtig, weil Musik zur menschlichen Entwicklung beiträgt: Man muss sein Inneres offenlegen und zeigen, wie man die Musik versteht. Musikalische Bildung heißt für mich nicht nur, ein Instrument zu spielen oder zu singen, sondern Einblick in musikalische und theoretische Zusammenhänge zu bekommen, miteinander zu musizieren und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung zu haben.
Hier herrscht der Rotstift
Gast bin ich als Musikschullehrer an Grundschulen mit Nachmittagsbetreuung. Da kommt es öfter mal zu Belegungsproblemen, und die Klassenräume inklusive Klaviere sind für den Musikschulunterricht nicht immer die besten. Wir haben in Nordrhein-Westfalen die Zusage der Landesregierung, dass im Bildungsbereich nicht gespart wird, aber die Kommunen können sich wegen des Haushaltsdiktats und der leeren Kassen oft nicht vor Einschränkungen schützen und malen gerade im Angebot der Musikschulen mit dem Rotstift herum! Hier sehe ich die Gefahr, dass unser Bildungsauftrag immer weniger erfüllt wird und weitere Lehrerstellen wegfallen. Selbst die Schließung von Musikschulen ist nicht ausgeschlossen. Leider gehen die Kommunen immer mehr dazu über, auf ein Jahr befristete Arbeitsverträge zu vergeben und Honorarkräfte einzusetzen. Für die Betroffenen ein unzumutbarer Zustand, denn Lebensplanung ist mit solchen Verträgen nicht möglich. Und diese Praxis – in meinen Augen eigentlich Tarifflucht – unterläuft unseren Tarifvertrag für Musikschullehrer.
Durch die Musikalisierungsoffensive „Jeki“ in NRW, die mit großem Schülerzuspruch gestartet ist, wird irgendwann auch instrumentale Weiterbildung notwendig. Wir schieben eine Welle an ausbildungswilligen Schülerinnen und Schülern vor uns her und müssen irgendwann den Offenbarungseid leisten, keine Lehrkräfte für sie zu haben.
Protokoll: Geraldine van Gogswaardt