Ausgabe 03/2025
Kein Nischendasein

Zahlreiche Kolleg*innen sind ehrenamtlich aktiv in Prüfungsausschüssen, arbeiten mit an Aus- und Weiterbildungsordnungen und in Gremien, die die Ausbildung in der Praxis im Blick haben. Dabei werden sie von ver.di unterstützt, über Seminare, Informationen und Wissenstransfer. Denn zeitgemäße Aus- und Weiterbildung ist eine gute Basis für das gesamte weitere Berufsleben. Drei Kolleg*innen berichten, wie sie dazu beitragen.
Marco Thönnes arbeitet im Büro des Gesamtbetriebsrats der Debeka und war Sachverständiger für die Arbeitnehmerseite in den Neuordnungsverfahren bei den Berufen der Versicherungen:
"Im Spätsommer 2020 wurde auf einer Konferenz des Bundesfachbereichsvorstands Versicherungen das Thema Aus- und Weiterbildung besprochen. Es wurden Sachverständige für die anstehenden Neuordnungsverfahren gesucht, also Verfahren, die jeweils zur Neugestaltung eines Ausbildungsberufs gemacht werden. Da ich bereits als Prüfer tätig war, wurde ich gefragt, ob ich diese Aufgabe übernehmen könnte. Anfangs war mir meine genaue Rolle unklar, und ich wusste nicht, ob ich die Anforderungen erfüllen kann. Doch erfahrene Kollegen haben mich dabei unterstützt. Außerdem ging es darum, Erfahrung aus der Praxis mit einzubringen, da war ich ja durch mein Alter und meine Tätigkeit als Betriebsrat bestens qualifiziert. Daher entschied ich mich, die Herausforderung anzunehmen.
Als erstes stand die Neuordnung des Kaufmanns/der Kauffrau für Versicherungen und Finanzen an, der jetzt "für Versicherungen und Finanzanlagen" heißt. Eine wesentliche Veränderung bestand darin, dass Auszubildende im Außendienst jetzt keine zusätzliche Prüfung mehr ablegen müssen, um auch Fondsprodukte im Bereich Finanzen verkaufen zu können. Früher war das notwendig, um nach dem Abschluss der Ausbildung vollständig im erlernten Beruf arbeiten zu können. Aufgrund sinkender Zinsen wächst die Bedeutung von Aktien und Fonds, daher waren diese Änderungen besonders wichtig. Nach knapp zwei Jahren konnten wir dieses Verfahren erfolgreich abschließen.
Anschließend folgte die Neuordnung des Fachwirts/der Fachwirtin für Versicherungen und Finanzen, heute Bachelor professionell für Versicherungen und Finanzanlagen. Besonders wichtig waren uns dabei die Regelungen zur Projektarbeit im Rahmen der mündlichen Abschlussprüfung. Für Absolvent*innen aus kleineren Häusern war es oft nicht möglich, ein Projekt umzusetzen. Daher wurde aus der Projektarbeit eine Praxistransferarbeit. Somit können neben der Durchführung eines Projekts auch die Auswirkungen von Veränderungen, etwa beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz oder der Anpassung von Tarifen, in der Praxis analysiert werden. Dieses Verfahren dauerte gut ein Jahr. Bei beiden Verfahren ging der Fokus in den Prüfungen zudem weg von der reinen Produktberatung hin zur Bedarfsberatung in einer bestimmten Lebenssituation.
Mit den Arbeitgebervertretern ziehen wir an einem Strang, da beide Seiten die Ausbildung modernisieren wollen. Wir haben oft schnell einen Konsens gefunden, dafür aber auch manchmal lange mit den Ministerien über einzelne Wörter diskutiert.
Wer die Aufgabe eines oder einer Sachverständigen übernehmen möchte, sollte Freude an seinem Beruf, fachliche Kompetenz und einen Praxisbezug zur Ausbildung mitbringen. Der zeitliche Aufwand während des Verfahrens liegt bei etwa zwei Präsenztagen alle zwei Monate. Mehr Zeit kommt hinzu, wenn man noch in Arbeitskreisen aktiv ist."
Kai Reinartz ist Vorsitzender des Personalrats der Deutschen Rentenversicherung Rheinland mit Sitz in Düsseldorf und seitens ver.di Mitglied im Berufsausbildungsausschuss NRW:
"Was läuft gut in der Ausbildung und was nicht? Damit beschäftigen wir uns in unserem Berufsbildungsausschuss für den Bereich der Sozialversicherung in Nordrhein-Westfalen. Wir, dass sind insgesamt zwölf Vertreter*innen der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und des zuständigen Landesministeriums. Wir treffen uns ein bis zwei Mal im Jahr. Schwerpunkt auf Landesebene ist die Umsetzung der Prüfungsordnung. Es gibt derzeit rund 1.000 Auszubildende zu Sozialversicherungsfachangestellten in NRW.
In der Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert, etwa durch digitale Arbeitsmedien oder mobile Arbeit. Früher hat man gelernt und gearbeitet, durch mehr mobile Arbeit auch während der Ausbildung müssen die Azubis viel mehr selbst organisieren. Früher wurden Briefe geschrieben, heute klären die Beschäftigten viel mehr am Telefon, in Videokontakten oder per Mail, um den Kundenanliegen gerecht zu werden. Diese direkte Kommunikation erfordert andere Methodenkompetenzen, die wir auch während der Ausbildung schon vermitteln müssen.
Dazu haben wir ein Projekt angestoßen, das jetzt ausgewertet wird. Es ist nicht so gut gelaufen. Ich nenne mal das Beispiel der Fachliteratur. Wird sie digital zur Verfügung gestellt, kann sie schnell aktualisiert werden. Alle Markierungen, die man vorher gemacht hat, sind dann jedoch weg. Wir hatten eine Situation, da ist das kurz vor einer Prüfung passiert.
In der Gewerkschaft ist unsere Arbeit für die Ausbildung sicherlich ein Nischenthema. Dennoch ist es wichtig. Eine Gewerkschaft ist die stärkste Stimme der Schwachen. Daher gehört dieses Engagement für mich dazu."
Michaela Fischer arbeitete als Disponentin bei randstad im Hamburg, seit 18 Jahren ist sie freigestellte Betriebsratsvorsitzende. Sie ist Mitglied im Prüfungsausschuss:
"Einfach mal machen, war mein Motto, als ich mich für die Mitarbeit im Prüfungsausschuss entschieden habe. Seit 2010 arbeite ich ehrenamtlich im Prüfungsausschuss mit. Im Laufe der Zeit haben sich die Ausbildungspläne verändert und damit auch die Ansprüche an die Prüfungen. Heute wird zum Beispiel nicht mehr das reine Wissen abgefragt, das präsentieren die Prüflinge zum Ende ihrer Ausbildung über ihre Kompetenzen.
In unserem Beruf ist der Umgang mit Menschen besonders wichtig: Man muss gut kommunizieren können, denn die Beschäftigten in Zeitarbeitsfirmen haben es mit einem breiten Spektrum unterschiedlicher Menschen zu tun. Außerdem brauchen sie ein breites Fachwissen: Gesetze, Arbeitnehmerüberlassung, Tarifverträge, Arbeitszeit und und und. Es ist der einzige Beruf, der sich komplett mit Personal beschäftigt. In einer boomenden Branche wie der Zeitarbeit ist es wichtig, kompetente Mitarbeiter*innen zu haben.
Zwei Mal im Jahr finden Prüfungen statt. In einem Ausschuss ist je ein Vertreter der Arbeitgeber (über die Industrie- und Handelskammer), der Arbeitnehmer und der Berufsschule vertreten. Ein gutes Team ist da wichtig. Im Vorfeld verständigen wir uns, wer das Prüfungsgespräch führt, die anderen beiden können aber während der Prüfung Nachfragen stellen. Wenn ich die Prüfung führe, versuche ich, ein vertrautes Umfeld zu schaffen. Ich selbst habe schon "Tribunal-Prüfungen" erlebt. Das will ich nicht.
In einer Prüfung geht es darum, dass anzuerkennen, was der Prüfling kann. Ich sehe mich eher als Partnerin, nicht so sehr als Prüferin. Am Ende der Prüfung, die eine bis anderthalb Stunden dauert, entscheidet für mich die Frage, ob ich den Prüfling als Kolleg*in haben möchte oder nicht. Allerdings prüfe ich auf eigenen Wunsch niemanden, der von randstad kommt.
Wir müssen immer wieder junge, engagierte Menschen als Prüfer*innen gewinnen. Das kann grundsätzlich jede*r mit einer entsprechenden Berufsausbildung machen, ver.di bietet da eine breite Unterstützung an, über Seminare und Netzwerke. Ich kann nur dazu ermutigen, sich als Prüfer*in zu bewerben. Denn auch ich habe dadurch wertvolle Erfahrungen für mich gewonnen."
Wer sich für den ehrenamtlichen Einsatz als Prüfer*in interessiert, findet mehr Infos und eine Kontaktmöglichkeit auf pruef-mit.de. ver.di sucht regelmäßig neue Prüfer*innen. Und wer ehrenamtlich als Sachverständige*r in einem Neuordnungsverfahren eines Berufes oder in einem Berufsbildungsausschuss einbringen will, nimmt Kontakt mit dem Bereich Bildungspolitik in ver.di auf: E-Mail bildungspolitik@verdi.de