30.000 Beschäftigte arbeiten Anfang März in Deutschland noch bei Schlecker, fast ausschließlich Frauen. Doch die Hälfte der Filialen soll geschlossen, mehr als 11.000 Arbeitsplätze sollen gestrichen werden. Die Schlecker-Frauen, ihre Betriebsräte und ver.di wollen alles dafür tun, dass möglichst viele Läden erhalten bleiben und möglichst viele Frauen eine Zukunft bei dem Unternehmen haben. Immer mehr Kund/innen wollen sie dabei unterstützen. Aber gefordert ist auch die Politik

Entschlossene Frauen am 8. März unterwegs in Nürnberg. Sie fordern die Unterstützung durch die Politik

Die temperamentvolle Kundin vor der Schlecker-Filiale in Mannheim lässt keinen Zweifel: Wenn es jetzt um die Arbeitsplätze bei Schlecker geht, ist sie "unbedingt dabei". In der Nähe ihrer Wohnung einkaufen zu können, das ist für sie notwendig, denn beim Gehen stützt sie sich auf einen Rollator. Der Schlecker-Laden wird als Nahversorger gebraucht, hier in der Stadt, und mehr noch in kleinen Orten auf dem Lande. Ein wichtiges Argument, findet auch Gabriele Biebinger, Betriebsratsvorsitzende in der Region Mannheim-Ludwigshafen-Brühl. "For you - vor Ort", das Motto akzeptiert sie deshalb.

Mit drei Betriebsratskolleginnen ist Biebinger an diesem Vormittag Ende Februar in Mannheim unterwegs. Vor einem großen Schlecker-Markt, in dem gerade nur eine Verkäuferin arbeitet und reichlich zu tun hat, sprechen die Frauen Passanten an. Nicht alle sind auf dem Weg in die Filiale, aber alle - ob jung oder alt, Mann oder Frau - nehmen sich ein paar Minuten Zeit, bleiben stehen, hören zu, greifen nach dem Flugblatt. Von der Insolvenz des Unternehmens haben alle gehört. Manche wissen auch noch, dass schon im vorigen Jahr 1400 Filialen in Deutschland geschlossen wurden. Wie es weitergehen kann, interessiert auch sie, nicht nur die Frauen an den Schlecker-Kassen. Denn sie wollen hier weiter einkaufen. "Sonst müsste ich selbst für eine Kleinigkeit extra in die Stadt reinfahren. Ich unterstütze Sie gern", sagt eine Frau, die aus der Filiale kommt. Genau das wollen Gabi Biebinger und ihre Kolleginnen: "Es geht um uns Schlecker-Frauen."

Die Erfolgsgeschichte

Stephan Weis-Will ist Gewerkschaftssekretär bei ver.di Rhein-Main und für die Beschäftigten bei Schlecker in der Region zuständig. 90 Prozent von ihnen sind bei ver.di organisiert. Von Anfang an arbeitet Weis-Will mit den Schlecker-Betriebsrätinnen zusammen. Vieles haben sie in bald 20 Jahren zusammen durchgesetzt, gemeinsam mit anderen Aktiven in der ganzen Republik: die Gründung der Betriebsräte, die Übernahme des Einzelhandelstarifvertrags aus Baden-Württemberg bei den Schlecker-Märkten, die Verbesserung der zuvor legendär schlechten Arbeitsbedingungen. Zuletzt, im vorigen Jahr, den Beschäftigungssicherungs- und Sozialtarifvertrag, als das Unternehmen auf die skandalöse Idee einer eigenen Leiharbeitsfirma für die Schlecker-XL-Märkte gekommen war, in die es die langjährig Beschäftigten abschieben wollte. Zu schlechteren Bedingungen, ohne Tarifbindung. Das ging schief, auch wegen der Betriebsräte und ihrer engen Zusammenarbeit mit ver.di. Eine Erfolgsgeschichte.

Doch mit der Insolvenz des Unternehmens drohen jetzt Filialschließungen und Kündigungen. Nach Verhandlungen zwischen ver.di, der Schlecker-Tarifkommission und dem Insolvenzverwalter am 6. und 7. März bekamen die Betriebsräte der Drogeriekette überall im Land jene Listen, auf die sie voller Sorge gewartet haben. Ausgerechnet am 8. März, dem Internationalen Frauentag, liegen sie überall vor, die langen Listen der Filialen, die geschlossen werden sollen. Vorläufige Listen, wie ver.di betont. Über die noch zu reden sein wird. Es werden auch nicht automatisch all diejenigen ihren Job verlieren, die in einer der aufgeführten Filialen arbeiten. Es soll - tariflich geregelt - eine Sozialauswahl geben und schließlich eine Transfergesellschaft für die Beschäftigten, die am Ende ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Damit keine ins Nichts fällt.

"Es war ein harter Tag", sagt Gabriele Biebinger am Abend des 8. März. "In unserer Region sollen 16 von 35 Verkaufsstellen geschlossen werden, wie wir jetzt wissen." Mit Angst und Panik hätten manche Kolleginnen reagiert, aber es gehe jetzt nicht um Einzelne, "wir sind alle miteinander betroffen", betont sie. Gemeinsam werden sie die Liste prüfen. Es sind Standorte dabei, bei denen begreife sie es absolut nicht: "Kleine Orte, in denen es keinen einzigen anderen Laden gibt." Da haben sie schon einen Termin beim Bürgermeister organisiert.

Kämpferischer Frauentag

Und natürlich haben sie heute den Frauentag gefeiert, trotzdem - oder gerade weil die Liste vorlag. Sie hatten Rosen und Süßigkeiten für die Kolleginnen auf der Betriebsversammlung und Flugblätter und Unterschriftenlisten für die Kunden. "Wir sind in Ludwigshafen die Fußgängerzone rauf- und runtergezogen, in alle Geschäfte gegangen, haben mit allen geredet, die wir greifen konnten. Wir machen alle rebellisch!"

In einem regionalen Fernsehsender hat Gabi Biebinger an die Kunden appelliert, wiederzukommen. Denn viele, so ihre Erfahrung, sind in letzter Zeit weggeblieben, als immer häufiger Waren fehlten und die Regale leerer wurden. Die Betriebsrätinnen haben deshalb auf einem ver.di-Workshop Ideen zusammengetragen. Um Nachbarschaftsläden geht es ihnen, um Einfluss auf das Sortiment, regionale Spezialitäten, saisonale Produkte und neue Angebote. Pfälzer Weine, Babysachen, Schreibwaren... Sie wissen schließlich am besten, was die Kunden wollen, wonach sie fragen. "Seit Jahren machen wir Vorschläge", sagt die dunkelhaarige Pfälzerin, "die sind nur nie umgesetzt worden. Aber jetzt wird sich etwas ändern. Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Wir machen alles dafür, was möglich ist!" Wenn Gabi Biebinger das sagt, klingt es sehr kraftvoll und entschlossen. Seit 21 Jahren arbeitet sie bei Schlecker.

Das Konzept der engen Rumpelbuden ging nicht auf

Klar ist: Die Schlecker-Insolvenz ist nicht vom Himmel gefallen. "Seit fünf Jahren ist das Unternehmen auf der schiefen Bahn", sagt Bernhard Franke, ver.di-Landesfachbereichsleiter für den Handel in Baden-Württemberg. "Die Verluste haben in den letzten Jahren den dreistelligen Millionenbereich erreicht." 2004 hatte die Firma den Höhepunkt ihrer Expansion erreicht, mit 10.600 Filialen allein in Deutschland. Da war die Republik "zugepflastert", wie Franke sagt. "Mehr ging nicht. Und das Konzept der engen Rumpelbuden in schlechter Lage funktionierte nicht mehr. Wir haben Missstände angeprangert, der Ruf des Unternehmens litt. Waren wurden nicht nach Bedarf in die Läden geliefert, die Kunden gingen lieber zu den Wettbewerbern. Eine Abwärtsspirale."

Frauen-Jobs sind genauso wichtig wie Männer-Jobs

Die Schlecker-Frauen wissen, dass ein Fortführungskonzept entwickelt werden muss, damit das Unternehmen weiter bestehen kann. Leider wohl mit deutlich weniger Filialen und weniger Beschäftigten. Die Frauen wissen auch, dass Investoren gebraucht werden. Gemeinsam mit vielen Kundinnen und Kunden fordern sie daher auch Unterstützung seitens der Politik. "Die 30.000 Frauen-Arbeitsplätze sind für das Land genauso wichtig wie Männer-Jobs in der Autoindustrie", sagen Betriebsräte und ver.dianer. "Staats- oder Landesbürgschaften können dazu beitragen, das Unternehmen zu erhalten, neu, sozial anständig und glaubwürdig", sagt Bernhard Franke.

Dass sie lange eine negative Meinung von Schlecker hatte, erklärt eine junge Kundin vor dem Laden in Mannheim. Das sage sie ganz ehrlich. "Aber jetzt gehe ich wieder hin, heute noch. Für diese Frauen!"

Flugblatt für die Kunden

"Wir arbeiten gern bei Schlecker und sind gern für unsere Kunden da. Trotz der Angst um unsere Arbeitsplätze bedienen und beraten wir Sie gern. Damit wir das auch in Zukunft in möglichst vielen Filialen tun können, bitten wir Sie um Ihre Unterstützung. Kaufen Sie weiterhin bei Schlecker ein, damit auch in Zukunft Ihre Filiale in der Nachbarschaft erhalten bleiben kann.

Ihre Schlecker-Betriebsräte, Ihre Schlecker-Beschäftigten, Region Ludwigshafen-Mannheim-Brühl, Region Heidelberg-Kirlach

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