Eine der größten und modernsten Gepäckförderanlagen hat man sich im Keller des neuen Berliner Großflughafens geleistet, die Arbeitskräfte hingegen dürfen kaum was kosten

Die erneute Verschiebung der Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens Willy Brandt ist schon ein Skandal, aber der anhaltende Sinkflug der Löhne an dem Prestigeobjekt ist ein noch viel größerer

VON Petra Welzel

Die Versprechen sind immer noch immens: Wenn der neue Berliner Großflughafen nun vielleicht im März 2013 seinen Betrieb aufgenommen haben wird, rechnet die Betreibergesellschaft mit 73.000 Arbeitsplätzen rund um den Flughafen. 40.000 davon sollen neu in der Region entstehen. Und wenn die Passagierzahlen von derzeit 25 Millionen an den bisherigen Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld am neuen Standort auf 45 Millionen geklettert sein sollten, wie die Betreiber hoffen, dann sollen es sogar 70.000 neue Arbeitsplätze werden. Tatsächlich wird der Flughafen Berlin Brandenburg auf einer Fläche so groß wie 2000 Fußballfelder zur Eröffnung 18.000 Beschäftigte zählen. Soweit die Höhenflüge.

Nun entstehen am neuen Flughafen durchaus auch neue Arbeitsplätze. Nur nicht die, von denen die Betreiber - die Länder Brandenburg und Berlin und der Bund - reden. Vorerst nutzen viele Unternehmen den Umzug zum neuen Flughafen vor allem dazu, ihr Personal durch Leiharbeitnehmer/innen auszuwechseln.

Die Lufthansa plant mit einer Billigflugkette das entsprechend billige Kabinenpersonal ein. Im Gastronomiebereich haben im gesamten Flughafen nur Unternehmen Platz bekommen, die weder tarifgebunden sind, noch einen Betriebsrat haben. Die SSP Airportgastronomie, die beides vorweisen kann, erhielt hingegen keinen Zuschlag, muss schließen und ihre Beschäftigten entlassen. Beim größten Bodenverkehrsdienstleister, der GlobeGround Berlin GmbH + Co.KG, wurde schon in den vergangenen drei Jahren ein Viertel der 2000 Beschäftigten durch Leiharbeiter/innen ersetzt. Tendenz steigend, weil nur noch Leiharbeitnehmer eingestellt werden. Und diese werden mit 800 Euro netto nicht nur mies entlohnt: Sie müssen unbezahlte Zwangspausen einlegen und Ausgleichstage erhalten sie nicht.

Schwarzarbeit, nicht entlohnte Arbeiter aus Osteuropa und Niedriglöhne auf der Flughafenbaustelle sind schon länger bekannt. Die Missstände sind dennoch nicht ausgeräumt.

"Die Verschiebung zur prekären Beschäftigung hat stattgefunden und findet immer noch statt", sagt Holger Rößler, ver.di-Sekretär und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat des Flughafens. Der Flughafengesellschaft als Arbeitgeber kann er ein gutes Zeugnis ausstellen. Ihre 1400 Beschäftigten haben einen einheitlichen Haustarifvertrag, der über dem Niveau des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst liegt. Die Beschäftigten bekommen ein 13. Monatsgehalt, erhalten Urlaubsgeld, eine Altersversorgung und mehr. Nicht so die vielen anderen Beschäftigten bei den Dienstleistern am Flughafen. Denn ihre Werkverträge vergibt die Flughafengesellschaft an die billigsten Anbieter. Und die machen sich immer billiger, indem sie über Fremdfirmen auslagern.

"Bei direktem Outsourcing kannst du die Beschäftigten noch auf die Bäume treiben", sagt Rößler. Deshalb konnte sich die Lufthansa bisher auch nicht durchsetzen mit ihrem billigen Plan. Bei GlobeGround hingegen vollzieht sich der Umwandlungsprozess schleichend. Doch wie auch immer: Gefragt ist die Politik. Zwei Länder und der Bund sind beteiligt an diesem Geschäftsmodell. Die Berliner Senatsverwaltung für Arbeit zieht sich mit dem Hinweis aus der Affäre, dass der Flughafen in Brandenburg liege und man dort keinen Einfluss habe. Nun regiert dort mit Matthias Platzeck ebenso ein Sozialdemokrat wie in Berlin mit Klaus Wowereit. Zudem hält das Land Berlin einen Anteil von 37 Prozent am Flughafen. Und: Wowereit ist der Aufsichtsratsvorsitzende.

Doch der überlässt es seiner Senatorin für Arbeit, Dilek Kolat, SPD, die mangelnde Einflussnahme auf das Lohnniveau am Flughafen schönzureden: "Leider konnte bislang nur im Rahmen des Vergaberechts ein Mindestlohngebot von 8,50 Euro festgelegt werden, aber ein gesetzlicher Mindestlohn, gerade um solche Ungerechtigkeiten konsequent zu unterbinden, wäre dringend notwendig." Eine Forderung, die die Gewerkschaften seit Jahren stellen. So rasant wie die Lebenshaltungskosten gerade auch in der Hauptstadtregion steigen, müsste er inzwischen schon bei nahezu zehn Euro liegen.

Wenn der Flughafen dann eines Tages eröffnet sein wird, gibt es dort auch ein von den DGB-Gewerkschaften gemeinsam betriebenes Büro als Anlaufstelle für alle Beschäftigten. Denn früher oder später werden sie wohl auf die Bäume klettern müssen.

Reportage Seiten 12+13