Da hat sich Unmut aufgestaut

15 Jahre Druck - das ist nicht länger hinnehmbar

VON Birgit Tragsdorf

"Diese Arbeitsbedingungen wollen unsere Kolleginnen und Kollegen nicht mehr. Sie wollen ein vernünftiges Gehalt und durchschaubare Eingruppierungen." Torsten Jahnke arbeitet in Halle bei der S-Direkt Marketing GmbH. Das ist das Call-Center der Sparkassengruppe. Etwa 800 Beschäftigte arbeiten hier - genaue Zahlen verweigert die Geschäftsführung dem Betriebsrat. Ihr Arbeitsplatz ist 2,8 Quadratmeter klein, in einem sogenannten Boxensystem sitzt der nächste Kollege nur einen Meter weit weg. Die Lärmbelästigung ist groß.

Die Anforderungen an die Mitarbeiter sind hoch, sie beraten Kunden beim Online-Banking, im Wertpapiergeschäft, und sie sind die Telefonzentrale der Sparkassen. Bei ihnen gehen die Kundenwünsche zu Kreditkartensperrungen ein, sie betreiben Meinungsumfragen und Marktforschung und noch einiges mehr.

Bezahlt werden die Mitarbeiter in drei Gehaltsstufen: 1280 Euro, 1410 und 1530 Euro - brutto. Das System ist für sie nicht durchschaubar, es gibt keine Kriterien. Die Mitarbeiter/innen bemängeln die schlechten Weiterbildungsmöglichkeiten und die Dienstplanung.

Derzeit haben sie 25 Tage Urlaub, arbeiten in vier Schichten, sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr, rund um die Uhr. Und sie erhalten keinerlei Sozialleistungen wie vermögenswirksame Leistungen, Altersvorsorge oder Urlaubsgeld. Neue Kolleginnen und Kollegen bekommen überwiegend befristete Verträge. Es hatte sich eine Menge Unmut angestaut. Vor einem Jahr haben einige engagierte Kolleg/innen erstmals ver.di in den Betrieb eingeladen, berichtet Torsten Jahnke. In Stefan Wittmann, dem Fachbereichsleiter Finanzdienstleistungen, fanden sie kompetente Unterstützung. Mit anfangs 13 ver.di-Mitgliedern begannen sie, eine Betriebsgruppe aufzubauen. In Befragungen, in Betriebsversammlungen und in vielen Gesprächen wollten sie herausfinden, was den Kolleg/innen besonders auf den Nägeln brennt und was geändert werden muss. Den meisten geht es um bessere Arbeitsbedingungen, um gute Arbeit also, und um deutlich bessere Gehälter und durchschaubare Kriterien der Eingruppierungen.

Anfang 2012 wurde die Geschäftsführung zu Tarifverhandlungen aufgefordert. Zwei Verhandlungsrunden gab es bereits, ohne Angebot des Arbeitgebers. Das war nicht hinnehmbar. So rief der Fachbereich Finanzdienstleistungen die Beschäftigten zum Warnstreik auf. "Mit wie viel Engagement und Motivation die Beschäftigten hinter den Zielen des von ver.di vorgeschlagenen Haustarifvertrages stehen, konnte der Arbeitgeber gut an der Teilnahme ablesen", sagt Stefan Wittmann. 90 Prozent der Kolleginnen und Kollegen legten am 21. Mai von 6 bis 24 Uhr die Arbeit nieder und bestreikten die vier Schichten des Call-Centers fast komplett. Einen ganzen Tag lang waren viele Sparkassen bundesweit nicht erreichbar, konnten kaum Kreditkartensperren bearbeitet oder Aufträge durch die Kunden aufgegeben werden. Und ver.di legte richtig zu: Weit über 300 Mitglieder wurden gewonnen.

Torsten Jahnke, er gehört zum Betriebsgruppenvorstand und der Tarifkommission, ist sich sicher: "Es werden sich auch bei weiteren Streiks sehr viele Kolleginnen und Kollegen beteiligen, falls der Arbeitgeber in den kommenden Verhandlungen nicht endlich relevante Angebote unterbreitet." Denn, so Jahnke weiter: "Wir haben doch kaum was zu verlieren, viele bekommen für ihre Arbeit weniger, als sie mit Hartz IV hätten. Wir gehen für unsere Würde arbeiten, und wir wollen, dass unsere Arbeit respektiert wird und wir davon leben können."

Als Dienstleistungsbetrieb der Sparkassen sind sie keine Randgruppe. Auch in den Tochtergesellschaften müssen die Grundsätze der Sparkassen "transparent, fair, nah" gelten.

Bisher hat der Geschäftsführer von S-Direkt alles abgebügelt, Vereinbarungen zählen nicht, auch die 44 Prozesse nicht, die der Betriebsrat gegen ihn führte. Der Belegschaft reicht es. 15 Jahre Druck und Angst bei der Arbeit sind genug. Die Mitarbeiter zeigen Mut, wollen eine andere Gesprächskultur und eine gute Bezahlung für ihre gute Arbeit.