Ausgabe 07/2012
Kein Bad, kein Bus, kein Notarzt
von Henrik Schmitz
Wir befinden uns im Jahr 2030: Im Zuge der Sparpolitik dank Schuldenbremse hat sich Rheinland-Pfalz gewandelt. In Krankenhäusern trifft man auf Angehörige, die Beatmungsbeutel Schwerstkranker bedienen, weil eine Zusatzzahlung für die Beatmung von über 60-Jährigen eingeführt wurde. Die Bundesregierung plant eine Erhöhung des Betreuungsgeldes, da nicht genügend Kitaplätze vorhanden sind und das Personal fehlt. "Ich konnte es mir bei der Bezahlung einfach nicht mehr leisten, Erzieherin zu sein", sagt Nina, die heute als Gouvernante im Taunus arbeitet und dankbar für freie Kost und Logis ist. Schwimmbäder gelten mittlerweile als "unangebrachte Gesundheitsromantik" und wurden geschlossen. Wer ein paar Bahnen ziehen will, muss bis zu 50 Kilometer fahren und sich jährlich zu zehn "ehrenamtlichen" Putzstunden im Außenbereich verpflichten. Weil öffentliche Verkehrsmittel ebenfalls gestrichen sind, ist man dabei auf das Auto angewiesen. In der Eifel hat sich die Bürgerinitiative "Wir wollen leben!" gegründet, nachdem mehrere Menschen, weil sie zu lange auf den Notarzt hatten warten müssen, gestorben sind. 30 Minuten dauert es in einigen Orten, bis Hilfe zur Stelle ist. Die Arbeitslosigkeit ist massiv gestiegen, weil in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Arbeitsplätze abgebaut wurden.
Die Schuldenbremse zeigt jetzt schon Auswirkungen
Zugegeben: Ein Horrorszenario, das so nicht eintreten muss. Blickt man auf die aktuellen Entwicklungen, steht aber zu befürchten, dass es eintreten kann. In Koblenz droht eine Schwimmbadschließung, im ganzen Land fehlen Erzieher und Erzieherinnen. In Worms wurde ein geplanter S-Bahn-Halt abgesagt, weil die Stadt hierfür kein Geld hat, und in Mainz wie in vielen anderen Städten werden Brunnen nur noch mit Hilfe von Sponsoren betrieben. Zugleich sprechen Politiker aller Parteien immer öfter vom "Ehrenamt", wenn sie nicht mehr wissen, wer Leistungen wie Kranken- und Altenpflege übernehmen und bezahlen soll. Alles, um von den Schulden runterzukommen, die seit der Finanzkrise 2008 als Wurzel allen Übels betrachtet werden.
Dem Land bleiben nur Ausgabenkürzungen
Die Gewerkschaften in Rheinland-Pfalz sind gegen Schulden. In wirtschaftlich guten Zeiten müssen die Haushalte ausgeglichen sein, was eine kluge Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik voraussetzt, die auf einem gerechten Steuersystem beruht. Die Schuldenbremse ist jedoch genau das Gegenteil. Weil die Länder keine eigenen Möglichkeiten haben, ihre Einnahmen zu verbessern, bleibt ihnen nur die Ausgabenkürzung. Leistungs- und Sozialabbau ist schon jetzt die Folge und wird sich in Zukunft verstärken. Dabei liegt Rheinland-Pfalz bei den Ausgaben in vielen Bereichen, wie Bildung, jetzt schon unter dem Durchschnitt der Bundesländer. Es geht also um Bildung, innere Sicherheit, soziale Sicherung und öffentliche Leistungen wie Sportanlagen, Theater, Büchereien und so weiter, an denen in Zukunft weiter gespart werden soll.
ver.di macht mit
Mit seiner Kampagne für einen handlungsfähigen Staat will der DGB aufklären und deutlich machen, welche Leistungen jetzt und in Zukunft nicht mehr möglich sind, wenn die Politik des Rotstifts weitergeführt wird. Dazu wurden Plakate entwickelt, die im Oktober und November im Land zu sehen sein werden. ver.di unterstützt diese Kampagne, da diese Entwicklung nicht einfach weiter so hingenommen werden kann. Das meint auch Uwe Klemens, Landesbezirksleiter ver.di Rheinland-Pfalz: "Wir müssen jetzt dafür kämpfen, dass es nicht weiter zum Abbau des Sozialstaates kommt, weiter wahllos Leute entlassen werden, und das Gemeinwohl gefährdet wird."