"Eines der besten Blätter der Welt", soll der Schriftsteller Hans-Magnus Enzensberger einmal über El País gesagt haben. Das Blatt bietet tatsächlich alles, was viele Leser von einer großen Tageszeitung erwarten. Mit ihrer linksliberalen Linie vertritt Spaniens größte Tageszeitung immer einen Standpunkt, ohne die kritische Distanz zu verlieren. Sie bietet Hintergründe, ist eine breite Diskussionsplattform und vielleicht sogar die letzte Verfechterin des Qualitätsjournalismus unter den spanischen Printmedien. All das steht nun auf dem Spiel.

Die Zeitung hat 129 Journalist/innen, mehr als ein Viertel der Beschäftigten, entlassen. Die Bedingungen entsprechen den Mindeststandards des spanischen Kündigungsrechts, das die Regierung gegen die Gewerkschaften erst in diesem Jahr durchgedrückt hat: Wenn ein Unternehmen an drei aufeinanderfolgenden Quartalen Umsatzeinbußen verbucht, legt das Gesetz nur noch Entschädigungszahlungen in Höhe des Salärs von 20 Arbeitstagen pro Beschäftigungsjahr fest, begrenzt auf zwölf Monatet. Ab 58 Jahren gilt eine Vorruhestandsregelung, bei der bis zum 63. Lebensjahr noch 60 Prozent des Nettolohns gezahlt werden.

Vor dem Versand der Kündigungen Im November hatten die Gewerkschaften vier Wochen lang mit dem Unternehmen über günstigere Bedingungen verhandelt. Einem dreitägigen Streik schlossen sich 77 Prozent der Beschäftigten an.

Misstrauen gegen Investoren

Am Ende der Verhandlungen bot El País vermeintlich bessere Konditionen an. Es sollte nun das Einkommen von 35 Arbeitstagen gezahlt werden, begrenzt auf 24 Monate. Der Haken: Die verbleibenden Beschäftigten hätten dafür auf 13 Prozent ihres Einkommens verzichten müssen, erklärt Betriebssprecher Manuel González von der Gewerkschaft Comisiones Obreras.

Der Vorschlag spaltete die Belegschaft. Von 460 Beschäftigten gaben nur 365 ihre Stimme ab. 207 stimmten gegen den Vorschlag, 137 dafür. Wer bleibt, hätte mit der Reduzierung der Bezüge praktisch die Entlassung seiner Kolleg/innen finanziert. Die letzten Wochen haben das Redaktionsklima vergiftet. Die Redaktion fordert den Rücktritt von Chefredakteur Javier Moreno, der die Kündigungen verteidigte, jedoch zugab, dass sich mit einer dermaßen geschrumpften Redaktion nicht mehr die gleiche Zeitung machen lasse.

Groß ist auch das Misstrauen gegen den deutsch-amerikanischen Finanzinvestor Nicolas Berggruen, der 2010 bei der Mediengruppe Prisa für 900 Millionen US-Dollar eine Kapitalmehrheit erworben hat. Prisa gibt El País seit 1976 heraus und ist heute der größte spanische Medienkonzern. Obwohl Berggruen im Vorstand sitzt, sei er nicht in das operative Geschäft involviert, versichert die Prisa-Gruppe. Berggruen selbst hat sich öffentlich noch nie zu seiner Beteiligung geäußert.

Auch Gläubiger wie die Banken La Caixa, Santander und die HSBC wurden im vergangenen Sommer Kapitaleigner. Die neuen Finanzinvestoren und Banken hätten schließlich auch auf Entlassungen gedrängt, mutmaßen Beschäftigte. Geradezu wütend zeigt sich die Redaktion gegenüber dem ersten Chefredakteur der Zeitung und heutigen Prisa-Vorstandsvorsitzenden Juan Luis Cebrián. Er habe große Managementfehler begangen. Cebrián investierte Milliarden in das Fernsehgeschäft der Gruppe, als sich die Wirtschaftskrise längst abzeichnete. Noch 2007 gab Prisa ein Übernahmeangebot für die an der Börse gehandelten Aktien ihrer TV-Sparte ab. Das allein kostete die Gruppe zwei Milliarden Euro. Heute plagt Prisa ein Schuldenberg in Höhe von 3,5 Milliarden Euro. El País hat in seiner Geschichte hingegen stets Gewinne abgeworfen. In diesem Jahr erwarte die Geschäftsleitung zwar Verluste, aber noch 2011 seien acht Millionen Euro erwirtschaftet worden, erklärt Betriebsratssprecher González. So viel verdiene den Informationen des Konzerns zufolge auch Vorstandschef Cebrián im Jahr. Hans-Günter Kellner