Manfred Birkhahn leitet in Berlin ehrenamtlich eine Gruppe von ver.di-Aktiven bei Aldi. Er selbst hat 21 Jahre lang als Verkäufer bei Aldi gearbeitet, einige Zeit war er Betriebsratsvorsitzender

ver.di PUBLIK | Das Magazin stern hat kürzlich als besondere Aldi-Leistung eine "Demokratisierung des Konsums" entdeckt. Wie sieht es denn bei Aldi mit der Demokratisierung der Arbeitswelt aus?

MANFRED BIRKHAHN | Demokratie bei Aldi? So was gibt's nicht. Das ist dort fast ein Fremdwort. Es wird erwartet, dass man sein Gehirn abschaltet und funktioniert. Menschenwürde und Respekt durch die Bezirksleiter zum Beispiel, das kann man in der Regel vergessen. Die gängige Methode ist: Befehl und Gehorsam. Dagegen anzugehen und im Alltag Rückgrat zu zeigen, ist oft extrem schwierig und klappt nur gemeinsam. Im Übrigen gehört auch zum Konsumieren edler Nahrungsmittel entsprechendes Kleingeld, das sehr vielen Menschen einfach fehlt. Und daran ändert sich nichts, nur weil Aldi mittlerweile Wildlachs oder Champagner anbietet.

ver.di PUBLIK | Welche Möglichkeiten haben Betriebsräte bei Aldi?

BIRKHAHN | Es gibt in allen Gesellschaften von Aldi Nord Betriebsräte. Die Erfahrung zeigt aber, dass jeder auf Widerstand stößt, der das Gesetz ernst nimmt. Ein Beispiel sind die längeren Arbeitszeiten wegen der neuen Backstationen. Da hat der Arbeitgeber alle Versuche, für die Einsatzplanung soziale Aspekte wie Kinderbetreuung oder Pflegenotwendigkeiten zu berücksichtigen, erfolgreich abgewehrt. Gegen Betriebsräte, die sehr konkrete Vorschläge vorgelegt haben, wurde gezielt Stimmung unter den Filialleitern gemacht.

ver.di PUBLIK | Werden Betriebsräte bei Aldi überall behindert?

BIRKHAHN | Aldi versucht stark, Einfluss zu nehmen. So ist die Frage, wie die Arbeitszeiten im Verkauf organisiert sind, überall sehr wesentlich. Aber wenn Betriebsräte bei Aldi Nord sagen: "Wir wollen eine für die Beschäftigten vorteilhaftere Regelung", droht der Arbeitgeber regelmäßig unter anderem mit der Ausgliederung des Fuhrparks. Den dort Beschäftigten wird erzählt, dass ihr Lohn und die Prämie in Gefahr seien. Das hat Methode, denn es wachsen Streit und Zwietracht. Viele Betriebsräte halten nicht stand und knicken ein. Andererseits sind da auch noch die von Aldi eingekauften Betriebsräte aus den Reihen der "Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger", AUB, die ohnehin fast alle Aldi-Wünsche ab- nicken. Es muss also noch viel getan werden, um die Mitbestimmung bei Aldi ein bisschen mehr auf Vordermann zu bringen. Zum Glück gibt es ja einige Kolleginnen und Kollegen, die sehr engagiert daran arbeiten. INTERVIEW: Andreas Hamann

"Daran ändert sich nichts, nur weil Aldi mittlerweile Wildlachs oder Champagner anbietet"