Ausgabe 03/2013
Jeder Schnitt hat seinen Preis
Gute Arbeit besser bezahlen
"Waschen, schneiden, föhnen – zehn Euro." Das trifft die "Geiz-ist-geil"-Mentalität, zumal es inzwischen an fast jeder Ecke einen Billigfriseur gibt. Kleinstbetriebe und große Ketten liefern sich ruinöse Preisschlachten im Kampf um die Köpfe - und zahlen Dumpinglöhne. Doch damit soll Schluss sein. ver.di hat Ende April mit den Arbeitgebern der Branche bundesweit über einen gesetzlichen Mindestlohn verhandelt. Dabei haben sich der Zentralverband des deutschen Friseurhandwerks und die Gewerkschaft (überraschend) schon in der ersten Verhandlungsrunde auf Eckpunkte geeinigt: Von August 2013 an soll in drei Stufen ein branchenweiter Mindestlohn eingeführt werden, der von August 2015 an bundesweit 8,50 Euro betragen soll.
9 von 10 müssen aufstocken
Für die gut 15.000 Friseure in Niedersachsen hatten sich beide Seiten vorab schon auf eine Tarifempfehlung mit einer schrittweisen Anhebung der Löhne geeinigt. Sie sollen für die niedrigste Entgeltgruppe zwischen April 2013 und Anfang 2015 in drei Schritten von derzeit 7,51 Euro auf 8,50 Euro steigen. Auf den Monatsverdienst bezogen bedeutet das eine Erhöhung von derzeit 1239 auf 1402 Euro brutto zum 1. Januar 2015. Die Ausbildungsvergütungen im ersten Jahr sollen von 308 auf 435 Euro monatlich ab 1. August 2015 steigen.
"Mit Schnäppchenpreisen heizen viele Friseurbetriebe den enormen Konkurrenzdruck in der Branche weiter an. Bislang sind selbst in Niedersachsen Stundenlöhne von fünf oder sechs Euro keine Seltenheit", sagt die zuständige ver.di-Expertin Ute Gottschaar. Im Osten Deutschlands gebe es sogar Tariflöhne von 3,60 Euro. Bislang könnten neun von zehn angestellten Friseuren von ihrem Lohn nicht leben und bezögen als "Aufstocker" zusätzlich staatliche Unterstützung.
"Unsere Dienstleistungen haben ihren Preis, den nicht länger die Beschäftigten durch niedrige Löhne subventionieren dürfen", fordert auch Niedersachsens Landesinnungsmeister Hans-Rudolf Meyer. "Das Problem unserer Branche ist die starke Zunahme der Solo-Selbständigen. Von diesen Ein-Personen-Betrieben haben wir mittlerweile in Deutschland rund 25.000 Salons." Mit einem Jahresumsatz unter 17.500 Euro seien diese Friseure Kleingewerbetreibende, die von der Umsatzsteuer befreit sind. "Das kommt einer Atomisierung der Branche gleich, mit entsprechend negativen Folgen für Preiswettbewerb, Qualitätsstandards und Fachkräfteentwicklung", so Meyer.
Bei der in Hannover erzielten Vereinbarung handelt es sich um eine Empfehlung an die Betriebe. Denn den bestehenden Tarifvertrag von 2009 wollten beide Seiten nicht kündigen, weil er für Niedersachsen noch allgemeinverbindlich ist. Ein neuer Tarifabschluss wäre es als Folge des Strukturwandels in der Branche wohl nicht mehr. Denn die vielen Kleinstbetriebe und Billiganbieter sind meist keine Mitglieder im Innungsverband. Um einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, müssen jedoch mehr als 50 Prozent der Beschäftigten unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages fallen. Hier soll ein bundesweit gültiger Branchen-Mindestlohn weiteres Lohndumping verhindern.