Ausgabe 04/2013
"Gerecht geht!"
Detlef Ahting, ver.di-Landesleiter in Niedersachen/Bremen, am 1. Mai in Hildesheim
Agenda 2010 und Hartz-Gesetze haben auch in Niedersachsen zu gravierenden Einschnitten in der sozialen Sicherung geführt: Prekäre Beschäftigung, ein durchlöcherter Kündigungsschutz und ein Niedriglohnsektor sind entstanden. "Gerecht geht anders!", sagt ver.di-Landesleiter Detlef Ahting und formuliert zentrale gewerkschaftliche Forderungen an die Parteien im Bundestagswahlkampf.
ver.di PUBLIK | Erleben wir gerade eine Entwürdigung der Menschen?
Detlef Ahting | Ja, der Arbeitsmarkt ist so tief gespalten wie noch nie, und die Arbeitsarmut nimmt stark zu. Immer mehr Menschen arbeiten zu immer schlechteren Löhnen und unter immer schlechteren Bedingungen. Seit 2005 hat die Allgemeinheit mehr als 50 Milliarden Euro aufgewendet, um Hungerlöhne aufzustocken. Allein in Niedersachsen zahlen wir jährlich eine Milliarde Euro an Aufstocker-Leistungen. Das ist genau die Summe, die die neue Landesregierung braucht, um ihr Koalitionsprogramm für mehr Bildung, neue Kitas, bessere Gesundheitsleistungen und die Energiewende umzusetzen.
ver.di PUBLIK | Was müssen die Parteien beim Thema Arbeit ändern?
Ahting | Wir brauchen eine Neuordnung auf dem Arbeitsmarkt, also einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro, der zügig auf zehn Euro ansteigen muss. Leiharbeiter erhalten 40 Prozent weniger Lohn und haben selten die gleichen Sozialleistungen. Deshalb fordern wir: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort! Und Leiharbeit nur, wenn Betriebs- und Personalräte wirksam mitbestimmen können. Auch Minijobber müssen sofort sozialversichert sein, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie Urlaubsgeld erhalten. Nur gute Arbeit und sichere Renten schaffen ein soziales Europa. Der Widerstand unserer europäischen Kollegen verdient unsere Solidarität: Denn wenn die Arbeitskosten in Spanien oder Griechenland sinken, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis der Lohndruck auch hier bei uns steigt.
ver.di PUBLIK | Bis zur Rente arbeiten die Deutschen in Europa am längsten.
Ahting | Und die Jugend bekommt keine faire Chance auf eine gute Arbeit, das gehört zusammen. Die Rente mit 67 ist ein Programm zur Rentenkürzung. Darum muss sie weg. Und wir müssen Erwerbsarmut bekämpfen, damit wir Altersarmut eindämmen. Dazu gehört auch ein Sofortprogramm gegen Jugendarbeitslosigkeit - europaweit. Mit hunderten von Milliarden an Steuergeldern und Bürgschaften wurden die Banken gerettet, den erwerbslosen Bürgerinnen und Bürgern hilft neoliberale Logik nichts - im Gegenteil. Daher brauchen wir einen Kurswechsel - für ein demokratisches und soziales Deutschland und Europa!
ver.di PUBLIK | Und wie soll das Ganze finanziert werden?
Ahting | Wir wollen den großen Reichtum stärker besteuern und fordern eine Millionärsabgabe, die locker aus dem Vermögen bezahlt werden kann. Denn der Fall des FC-Bayern-Managers Ulli Hoeneß ist ja nur die Spitze des Eisbergs von insgesamt 130.000 Reichen, die ihr Vermögen am Fiskus vorbei ins Ausland geschafft haben. Geld ist genug da. Es ist nur ungerecht verteilt. Wir müssen hart gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung vorgehen und wollen die Vermögenssteuer und Vermögensabgabe. Das sind die zentralen ver.di-Forderungen an die Parteien im Bundestagswahlkampf.