Die Bankenmetropole hat sich inzwischen zur zweitteuersten Stadt in Deutschland entwickelt, jedenfalls, was die Mieten betrifft

Wer hierzulande eine Wohnung sucht, die finanzierbar ist, sucht lange und auf vielen Wegen

von Heide Platen

Melanie T. sitzt vor einem Eiscafé im Frankfurter In-Stadtteil Bornheim und zerlegt den Anzeigenteil der voluminösen Lokalzeitung. Politik, Wirtschaft, alles uninteressant, solange sie keine Wohnung gefunden hat. Sie war arbeitslos und hat am Main endlich einen Job bekommen. Seit sechs Monaten lebt die 35-jährige Telefonistin provisorisch bei einer Freundin und aus dem Koffer. Zwei Zimmer, Küche Bad, das scheint auch an diesem Wochenende ein Traum zu bleiben.

Wohnungssuche im Internet? Die Anbieter sortieren nach Preisen. Bis zu 600 Euro kalt, also knapp die Hälfte ihres Gehalts, würde sie ausgeben. Alles Erschwingliche aber - an Warmmiete wäre bei ihren Preisvorstellungen gar nicht zu denken - hat seine Haken. Da bietet eine ältere Dame ein Gästezimmer an, 13 Quadratmeter klein, Hauptverkehrsstraße vorne raus, plus Mithilfe im Haushalt. Preis: 350 Euro. Für 400 Euro gibt es einen Zeitvertrag für ein Jahr, Betreuung des "freilaufenden Katers, pflegeleicht" inbegriffen.

Für nur 380 Euro ist ein Zimmer an der Wittelsbacher Allee zu haben, Lastwagen- und Straßenbahnlärm gibt es gratis dazu. Im Stadtteil Bockenheim vermietet ein findiger Wohnungseigentümer eine Drei-Zimmer-Wohnung pro Einzelzimmer für sagenhafte 65 Euro - pro Nacht. Da war die Frau, die monatsweise zwischenvermietet, mit ihrem Sonderwunsch noch das Netteste: "Keine Stehpinkler!"

Nach oben sind die Grenzen offen

Frankfurts SPD-Oberbürgermeister Peter Feldmann hat den sozialen Wohnungsbau zur Chefsache gemacht und damit Ende 2012 die schwarz-grüne Koalition im Rathaus Römer gegen sich aufgebracht, der er Versäumnisse vorwarf. Die FDP schäumte, dies sei "eine unseriöse Angstkampagne". Mittlerweile haben die Grünen eingelenkt und sehen die Notwendigkeit, sozialen Wohnungsbau wieder zu forcieren, auch als ihr dringendes Anliegen. Die Fördermittel wurden erhöht. Eine Kommission soll Pläne erarbeiten für Neubauten, den Rückbau von Büros in Wohnraum und Verdichtung in den Stadtteilen.

Ein durch Bürgerproteste erzwungener neuer Mietspiegel soll in diesem Jahr erhoben werden. Der liegt derzeit so ungefähr, je nach Lage und Ausstattung, durchschnittlich zwischen zehn und zwölf Euro pro Quadratmeter. Nach oben sind die Grenzen jedoch offen. Nur München ist teurer.

Dass die Frankfurter sich das vernachlässigte Mainufer mit Promenaden und Wegen zurückgeholt haben, freut die Städter. Andererseits ist hier besonders signifikant, dass Investoren fast ausschließlich auf zahlungskräftige Kunden setzen. Der Fluss ist von West nach Ost, inzwischen diffundierend bis in die arme Nachbargemeinde Offenbach, flankiert von schicken, mehrgeschossigen Neubauten.

Im noblen Westend sind 20 Euro Miete und mehr pro Quadratmeter keine Seltenheit. Dort, wo einst Studierende alte Villen und Stadthäuser vor dem Abriss bewahrten, sind Banken, Versicherungen, Consulting-Firmen eingezogen. Studierende heute brauchen eine reiche Familie, wenn sie in Frankfurter Domizile einziehen wollen. Neubauten mit Mini-Wohnungen werden als Geldanlage für Erstsemester und deren Eltern angeboten.

Ausgerechnet dicht am Odina-Bott-Platz sind die "Westend Suites", eine Luxusanlage mit 46 "Premium-Wohnungen" und fünf Penthäusern, neu entstanden, fertig zum Verkauf. Odina Bott, engagierte Sozialdemokratin, kämpfte in den 70er Jahren mit ihrer Bürgerinitiative für bezahlbaren Wohnraum und gegen die Zerstörung der gewachsenen Infrastruktur des Stadtteils. Im Juni nutzten ihre Nachfolger einen Tag der Offenen Tür für einen Protestbesuch, der mit großem Polizeiaufgebot beendet wurde.

Zusätzlicher Wochenend-Job für die höhere Miete

Zorn gärt auch im ehemaligen Studierendenviertel Bockenheim, das trotz sehr unterschiedlicher Struktur nach Verlagerung der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität als Innenstadtlage 2 eingestuft worden ist. Auch hier formiert sich der Widerstand der alteingesessenen Bewohner, die immer wieder Mieterhöhungen hinnehmen müssen. Den größten Preisanstieg aber verzeichnet das bisher eher verschlafene und im nördlichen Frankfurt liegende, noch preiswerte Ostend. Die Kräne am Mainufer türmen das neue Gebäude der Europäischen Zentralbank auf. Um die 3000 Angestellte sollen dort einziehen. Größere Wohnungen sind deshalb begehrt und changieren bereits um die 2000-Euro-Grenze herum.

Melanie T. ist inzwischen bereit, auch höhere Mieten zu akzeptieren, als es ihr bisheriges Budget erlaubt. Sie will sich zusätzlich einen Wochenend-Job suchen. Um ihre Lage Vermietern gegenüber zu kaschieren, hat sie sich den Trauring ihrer Großmutter angesteckt und einen imaginären Ehemann erfunden, der noch in Würzburg arbeite und später nachziehen werde. Neben der eigenen legt sie die meist geforderte Verdienstbescheinigung ihres Bruders vor.

Durchschnittliche Mieterhöhungen bei Wiedervermietung in Städten

Die bundesdeutschen Spitzenreiter


Das versprechen die Parteien

CDU/CSU

"Damit Wohnraum in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten bezahlbar bleibt, werden wir den Ländern zudem die Möglichkeit einräumen, in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung von Bestandswohnungen Mieterhöhungen auf zehn Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete zu beschränken. Diese Regel gilt nicht für Erstvermietungen in Neubauten."

FDP

"Exorbitante Mieterhöhungen haben wir ebenso unterbunden wie das sogenannte Mietnomadentum. (...) Weitere regulierende Eingriffe in den Wohnungsmarkt, wie Mietpreisdeckelung und Sanierungsverbote, lehnen wir entschieden ab."

SPD

"Deshalb soll eine Obergrenze für Mieterhöhungen bei Wiedervermietungen von maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete eingeführt werden. Erstvermietungen von neugebauten Wohnungen sind davon grundsätzlich ausgenommen."

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN

"Der größte Preistreiber sind aktuell die Wiedervermietungsmieten. Sie sollen künftig nicht höher als zehn Prozent über der ortüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen, wo Wohnraummangel herrscht."

DIE LINKE

"Das Recht auf Wohnen ist im Grundgesetz zu verankern. (...) Wir wollen die Mieten deckeln: Der Mietspiegel muss flächendeckend eingeführt werden und sich an allen Bestandsmieten orientieren, nicht nur an den Abschlüssen der letzten Jahre. Die Kommunen erhalten das Recht, auf der Grundlage dieser Mietspiegel Höchstmieten festzulegen, um den Preisanstieg zu stoppen. Die Nettokaltmiete in bestehenden Mietverhältnissen darf ohne maßgebliche Wohnwertverbesserung grundsätzlich nur im Rahmen des Inflationsausgleichs maximal bis zur Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden. Mieterhöhungen allein wegen Neuvermietung sind unzulässig."


Eine neue Wohnungsnot

Erst Mitte Juni dieses Jahres lag dem Deutschen Bundestag ein Antrag vor, der eine bundesweite Regelung zur Begrenzung von Mieterhöhungen bei Neuvermietung wegen Mieterwechsels vorsah. Eingebracht hatte ihn die SPD. Konkret stand damit zur Abstimmung, dass eine Mieterhöhung bei Wiedervermietung nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Angesichts der geradezu explodierenden Mietsteigerungen bei Neuvermietungen, insbesondere in Groß- und Unistädten, um bis zu mehr als 40 Prozent (siehe Grafik links), wäre damit vermutlich vielen Menschen im Land geholfen gewesen. Aber: Die Mehrheit von CDU/CSU und FDP im Bundestag lehnten den Antrag geschlossen ab, die Oppositionsparteien SPD, Die Linke und Die Grünen stimmten ihm ebenso geschlossen zu. Vorerst ändert sich also nichts, können die Mieten weiter in den Himmel schießen.

Nur neun Tage später legten CDU/CSU ihr Wahlprogramm für die bevorstehende Bundestagswahl vor. Und siehe da: Die Unionsparteien versprechen die Begrenzung der Mieterhöhung bei Wiedervermietung auf maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Also die Regelung, der die CDU/CSU nur kurz zuvor im Bundestag hätte zustimmen können. Mit einem feinen Unterschied: Anders als SPD, Grüne und Die Linke wollen CDU und CSU die Zehn-Prozent-Deckelung nicht bundesweit verbindlich einführen, sondern es den Ländern überlassen, ob sie dies tun oder eben nicht.

Dabei wäre eine generelle Mietpreisdeckelung in der Tat dringend nötig, so der Deutsche Mieterbund (DMB). Schon heute, so der DMB, liege die durchschnittliche Belastung der Haushalte durch Wohnkosten bei rund 34 Prozent, in einkommensschwächeren Haushalten sogar bei 45 bis 50 Prozent. "Das", sagt der Präsident des DMB, Franz-Georg Rips, "ist unerträglich. Die Marktfreiheit hat ihre Grenzen, wo Gerechtigkeit gefährdet ist." Ebenso wie die Oppositionsparteien im Bundestag fordert der Mieterbund die Begrenzung der Mieterhöhungen bei Wiedervermietung per bundesweiter Regelung. Und der Mieterbund weist darauf hin, dass sich ohne eine solche Grenze eine gefährliche Spirale weiterdrehen wird: Mit den drastischen Erhöhungen bei Neuvermietungen steigen zwangsläufig auch die ortsüblichen Vergleichsmieten ins Unerschwingliche. Denn die orientieren sich an den Vertragsabschlüssen in den jeweils letzten vier Jahren.

Aber das ist nicht die einzige dramatische Entwicklung auf dem bundesdeutschen Wohnungsmarkt: Laut Mieterbund ist die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen allein zwischen 2002 und 2010 von 2,4 auf 1,6 Millionen gesunken, also um 800.000 Wohnungen. Eine Folge des stetigen Rückzugs des Staates aus der Verantwortung für eine angemessene und bezahlbare Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum. Stattdessen wurden landauf, landab öffentliche Wohnungsgesellschaften privatisiert, sprich an Investoren mit hoher Renditeerwartung verscherbelt. Das Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten: "Eine neue Wohnungsnot", wie es DMB-Präsident Rips erst kürzlich auf den Punkt brachte. knies