PIN MAIL AG

Die Post bleibt liegen, jetzt wird gestreikt

BERLIN | Mit zwei Warnstreiks bekräftigten Ende August die Zusteller/innen bei der Pin Mail AG - wegen der Farbe ihrer Dienstkleidung auch "grüne Post" genannt - ihre Forderung nach mehr Geld. In mehreren Berliner Bezirken lag die Streikbeteiligung bei weit über 90 Prozent. Denn die Geschäftsleitung hatte auch in der dritten Verhandlungsrunde mit ver.di kein Angebot vorgelegt. Die Vertreter der Pin Mail AG schlugen lediglich eine Prüfung ihres Unternehmens vor. Dieses Angebot nimmt ver.di an. Die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens soll jetzt durch einen unabhängigen Gutachter geprüft werden.

Maximales Brutto bisher: 1430 Euro

Verhandelt wird bei der Pin AG über einen Mantel- und einen Entgelttarifvertrag. ver.di will deutlich mehr Geld für die Beschäftigten durchsetzen: Gefordert wird ein Plus von 11,5 Prozent. Ausgehend von den sehr niedrigen Löhnen der Zusteller/innen bedeutet das in Euro allerdings weniger, als die Prozentzahl vermuten lässt. Bisher verdienen die 700 Zusteller/innen der Pin AG bei einer 40-Stunden-Woche zwischen 1380 und 1430 Euro brutto monatlich. "Sie haben seit Bestehen des Unternehmens keine Erhöhung bekommen", berichtet ver.di-Verhandlungsführer Roland Tremper - also seit 14 Jahren nicht. In diesem Zeitraum sind die Lebenshaltungskosten in Berlin allerdings um mehr als 20 Prozent gestiegen.

Nur während der rund zwei Jahre, als ein gesetzlicher Mindestlohn für die privaten Postdienstleistungen galt, erhielten die Beschäftigten 9,80 Euro pro Stunde. Damit war im Jahr 2010 Schluss: Die Konkurrenten der Deutschen Post - allen voran die Pin AG - klagten gegen den Mindestlohn und gewannen. Die Pin AG senkte den Lohn prompt wieder. Damals ging auch das Vorgängerunternehmen Pin Group in die Insolvenz und ist jetzt als Pin Mail AG tätig. Heute gehört das Unternehmen jeweils zur Hälfte der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und TNT, dem einstigen Konkurrenten unter den Postdienstleistern. Seit der Postmindestlohn gekippt wurde, bemüht sich ver.di, mit der Geschäftsleitung einen Haustarifvertrag abzuschließen.

Ohne Zweitjob oder Sozialleistungen geht's nicht

"Das, was wir fordern, stellt nicht einmal das Lohnniveau wieder her, das die Kolleginnen und Kollegen vor 14 Jahren hatten", sagt Roland Tremper. Bei der ver.di-Streikversammlung Ende August in der Urania in Berlin berichteten Beschäftigte, dass zahlreiche Kolleg/innen nur mit Zweitjobs oder ergänzenden Sozialleistungen über die Runden kommen. So trägt ein Vater von mehreren Kindern Zeitungen aus, bevor er morgens bei der Pin Mail AG seinen Dienst beginnt. Und während das Land Berlin einerseits vielen Beschäftigten der Pin Mail AG ihren Lohn mit ergänzenden Sozialleistungen aufbessern muss, stellt das Unternehmen seit etlichen Jahren die komplette Behördenpost zu - auch wechselnde Koalitionen in der Politik haben daran nichts geändert.

Auch das Prämiensystem der Pin Mail AG verbessert die Lage der Beschäftigten nicht: Zum Grundgehalt bekommen die Zusteller/innen nach zwei Jahren Betriebszugehörigkeit eine monatliche Prämie in Höhe von 25 Euro brutto, nach vier Jahren 40 Euro und nach sechs Jahren 60 Euro. Das sind freiwillige Leistungen des Arbeitgebers und können jederzeit gestrichen werden. Zudem wird eine sogenannte Anwesenheitsprämie in Höhe von 50 Euro brutto gezahlt. In den ersten zwei Jahren erhalten die Beschäftigten 100 Euro Anwesenheitsprämie, in diesem Zeitraum ist das Grundgehalt 50 Euro niedriger. Udo Raabe arbeitet seit elf Jahren für die "grüne Post" als Zusteller: "Wenn ich fünf Tage im Monat krank bin, werden die 50 Euro Anwesenheitsprämie nicht gezahlt." Die Prämie werde nur bei einem Arbeitsunfall oder einer Operation nicht gestrichen.

Wann die Tarifparteien wieder zusammenkommen, stand zunächst nicht fest: Die Arbeitgeberseite wollte erst im Oktober wieder verhandeln, mehrere Vorschläge von ver.di für den September wurden abgelehnt.