Thalia streikt! Demo vor dem Roten Rathaus in Berlin

Auch Buchhändler/innen geben in dieser Tarifrunde ihre Zurückhaltung auf

"Ich fand's gut, dass wir auf die Straße gegangen sind", sagt Patricia Schmolke, Buchhändlerin und Betriebsrätin bei Thalia in Berlin. "Gerade die Aktion draußen, vor dem Einkaufszentrum in Prenzlauer Berg, war klasse. Die Kunden waren erst völlig überrascht. Dass auch wir zum Einzelhandel gehören, nicht nur real oder Rewe, hatten sie sich noch nie überlegt. Und dann haben sie uns unterstützt."

Wenn die Kassiererinnen und Verkäufer großer Supermärkte sich zum Streik im Berliner ver.di-Haus treffen, wird es voll, laut und energisch. Buchhändler/innen können da nicht mithalten, sie sind zu wenige und erreichen doch nichts, so war bisher die verbreitete Meinung, selbst unter vielen Beschäftigten. Manche hielten sich auch ganz gern vornehm zurück. Das hat sich geändert, jedenfalls bei der Thalia-Buchkette in Hamburg und Berlin, auch in einigen Städten Nordrhein-Westfalens. Viele Buchhändler/innen mischen sich jetzt ein.

Begonnen hat es schon im Sommer 2007, in einer Filiale in Hamburg. Die Frühschicht ging auf die Straße, der Laden konnte erst zwei Stunden später öffnen. "Die Geschäftsleitung ist hinmarschiert, um einzuspringen. Leute von außerhalb mussten geholt werden. Das war der Startschuss - auch für Berlin", berichtet Thomas Sielemann, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrates für das bundesweite Unternehmen und des Betriebsrates bei Thalia Nord.

Bestechung mit Buchgutschein

Acht Interessierte trafen sich in Berlin im Oktober zum ersten Mal. Zum zweiten Termin kamen dann 20, und im November streikten sie schon. Eine ganz neue Erfahrung für die meisten. Dass komplette Belegschaften von Filialen auf die Straße gehen, hatte auch die Geschäftsleitung nie zuvor erlebt, also "kam es zu Überreaktionen", sagt Sielemann. Buchgutscheine - ausgerechnet - über 20 Euro sollten Kolleg/innen dazu bringen, während des Streiks doch zu arbeiten. Vage Drohungen wurden ausgesprochen.

Im März, am bundesweiten Aktionstag im Einzelhandel, streikten bei Thalia Nord 100 der 900 Beschäftigten. Für alle, die dabei waren, ein Erfolg. Bei manchen, die nicht teilnahmen, machte sich das schlechte Gewissen bemerkbar. Aber oft waren es die Kolleginnen mit befristeten Verträgen, die im Laden blieben, und das Team hatte sich vor der Aktion geeinigt, dass gerade sie weiterarbeiten, auch wenn sie dem Streik zustimmen.

Zum 1. April lenkte die Geschäftsleitung ein und kündigte eine Gehaltserhöhung von zwei Prozent an, ab sofort. Ein Vergleich: Die Umsätze im Buchbereich stiegen laut Aussage des Vorstandsvorsitzenden Henning Kreke im Vorjahr um 26,3 Prozent auf fast 700 Millionen Euro. Die Bezüge der vier Vorstandsmitglieder liegen bei mehr als vier Millionen pro Jahr und stiegen um 21,2 Prozent. Zwei Prozent mehr Gehalt waren bei Thomas Sielemann und seinen Kolleg/innen Ende April auf den Konten. "Lächerlich", kommentiert Patricia Schmolke. "Das hat das Unternehmen also für uns übrig! So werden wir hier geschätzt!"

Garantie der Zuschläge ist unverzichtbar

ver.di fordert 6,5 Prozent und die Erhaltung der Zuschläge für Spät- und Sonntagsarbeit. Die Zuschläge sind vielen Thalia-Beschäftigten noch wichtiger als die Gehaltserhöhung, gerade in Berlin, wo die Ladenöffnungszeiten besonders liberal sind. Ziel des Betriebsrates sind auf jeden Fall mehr als drei Prozent Einkommenssteigerung und die Garantie der Zuschläge.

Ende April hat sich dafür eine ver.di-Betriebsgruppe der 17 Berliner Filialen und ihrer 260 Beschäftigten gegründet. Ein paar neue ver.di-Mitglieder gibt es bei Thalia Berlin auch schon. Mehr als 30 Mitglieder waren sie am 1. Mai. Patricia Schmolke, die auch der neuen Betriebsgruppe angehört, fürchtet, es sei "nach den Streiks ein bisschen die Luft raus", andererseits ist sie sicher: "Wir sind bei der nächsten Aktion wieder dabei. Wir müssen mehr Druck machen."

Claudia von Zglinicki