Anfang Juli begleitet ein Streik die Tarifverhandlungen im Einzelhandel

von Birgit Tragsdorf

"Wir haben es wie eine Wohltat empfunden, als uns am 4. September die Nachricht erreichte, dass es für die Praktiker-Tochter Max Bahr eine Zukunft gibt und auch unsere Filiale in Dresden auf der Gombitzer Höhe nicht auf der Liste der zu schließenden Märkte steht." Die Betriebsrätin Petra Röpke beschreibt, wie erleichtert sie und ihre 38 Kolleg/innen sind. Eine Zitterpartie wird es dennoch bis zum Schluss bleiben.

Für die Beschäftigten in den Praktiker-Märkten ist es gewiss: Ihre Baumarktkette verschwindet vom Markt. Für den Standort Riesa war das vorher schon beschlossen, dort hatte der Räumungsverkauf bereits begonnen. Frank Slabon, seit 16 Jahren bei Praktiker und seit 15 Jahren Betriebsrat, organisiert mit seinen Mitstreitern schon die Zeit danach. Die Kündigungen sind noch nicht ausgesprochen, aber die Agentur für Arbeit haben sie schon ins Haus geholt, weil sie wissen wollen, was auf sie zukommt. So erfuhren sie, wie sie sich im Internet arbeitssuchend melden können. Die 40 Beschäftigten begrüßen, dass es ver.di gelungen ist, mit dem Insolvenzverwalter eine Transfergesellschaft einzurichten. Sie sehen ihre Zukunft in Riesa jedoch kritisch - der Anteil der Erwerbslosen in ihrer Stadt liegt bei über 20 Prozent.

Wieder einmal ist es das Personal, das jahrelange Managementfehler wie den Aufbau von Überkapazitäten und eine aggressive Preispolitik ausbaden und nun auf einem schwierigen Arbeitsmarkt einen neuen Platz finden muss. Bundesweit läuft seit Mitte September in 127 Praktiker-Märkten der komplette Ausverkauf. Für die betroffenen Kol- leg/innen, nicht nur in Riesa, wird es ein schwerer Weg.

Kampf um Tarifverträge im Einzelhandel

Als Branche ist der Einzelhandel freilich recht stabil, ebenso die Kaufkraft, sagt der zuständige ver.di-Fachbereichsleiter Jörg Lauenroth-Mago. "Aber es ist immer wieder zu beobachten, dass lange erfolgreich auf dem Markt agierende Handelsketten in Schieflagen geraten. Da rede ich nicht nur von Schlecker. Bei Karstadt fehlen seit Jahren Investitionen und neue Zielgruppen." Und weiter: "Im Moment beobachten wir einen Trend der Einzelhandelsketten zur Privatisierung einzelner Märkte, wie bei Edeka, und eine einhergehende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und das Aushebeln von Tarifregelungen."

Derzeit gilt es im Einzelhandel, neue Tarifverträge auszuhandeln, nachdem die Arbeitgeber die bestehenden gekündigt hatten. Die Kolleg/innen im Landesbezirk haben mit Streiks und zahlreichen Aktionen an vielen Standorten die Verhandlungen begleitet. Sie wehren sich gegen den Ausbau von Niedriglohngruppen und die Streichung von Zuschlägen.

Die nächste Verhandlungsrunde beginnt am 11. Oktober. Mit einer Ausweitung der Streiks auf bisher unbeteiligte Betriebe will ver.di erreichen, dass die Löhne und die Arbeitszeitgestaltung so geregelt werden können, dass die Beschäftigten ohne Aufstockung davon leben können: kein Lohn unter zehn Euro. Das Ziel ist nur bei hoher Streikbeteiligung und mit öffentlichen Aktionen zu erreichen.

Mehr zum Tarifkonflikt unter: www.sat.verdi.de