Aktenzeichen XY ungelöst war einmal. ver.di PUBLIK bringt Licht ins Dunkel der Paragrafen, diesmal zum Thema Heimpflege und Pflegeheim

von Henrik Müller und Wolfgang Büser

Von der Wiege bis zur Bahre - Formulare, Formulare. So jammert der Volksmund, und meistens sind dabei auch Paragrafen im Spiel, über deren Bedeutung und Auslegung es häufig Streit gibt, so dass Anwält/innen und Gerichte bemüht werden.

Wer übernimmt die Kosten?

Viel Verunsicherung herrscht etwa - trotz oder wegen der inzwischen jahrzehntelangen Erfahrungen mit der gesetzlichen Pflegeversicherung - bei der Frage, wer für die Pflegekosten aufkommen muss, die nicht durch die gesetzlichen Leistungen abgedeckt sind. Muss zum Beispiel der Sohn einer Pflegeheimbewohnerin seine selbst genutzte Eigentumswohnung verkaufen, um dem Sozialamt die Kosten zu erstatten, die es, aus Steuermitteln, für die Rechnungen des Pflegeheims aufgewendet hat? Nein, unzumutbar, hat der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen XII ZB 269/12 entschieden. Darüber hinaus hat er festgelegt, dass auch das sonstige Vermögen des Sprösslings nur dann eingesetzt werden muss, wenn es einen bestimmten Betrag übersteigt. Für sich behalten darf der Sohn auf jeden Fall fünf Prozent des Bruttoeinkommens, das er in seinem Berufsleben erzielt hat. Ein Rechenbeispiel: Wenn der Sohn in seinen 30 Arbeitsjahren im Durchschnitt jährlich 25.000 Euro brutto verdient hat, insgesamt also 750.000 Euro, dann sind davon fünf Prozent, also 37.500 Euro, als sein eigenes Altersvorsorgevermögen "geschützt". Ergebnis: Er muss nur mit dem Teil seines Vermögens für seine Mutter im Pflegeheim aufkommen, der - neben der Eigentumswohnung - den Wert von 37.500 Euro übersteigt.

Wer geht einem an die Wäsche?

In diesem Zusammenhang hat das Landgericht Kaiserslautern auch vorgebeugt und unter dem Aktenzeichen 2 O 252/12 festgelegt, dass Pflegeeinrichtungen (zum Beispiel Altenheime oder Seniorenzentren) in ihren Verträgen mit Heimbewohnern über Kurzzeitpflege nicht vorsehen dürfen, dass Angehörige oder Betreuer der Pflegebedürftigen sich durch einen sogenannten "Schuldbeitritt" zur Kostenübernahme verpflichten sollen, wenn der Pflegebedürftige selbst nicht zahlen kann.

Oft geht es vor den Gerichten auch um kleinere Beträge und Details von Verträgen, die aber relativ viele Menschen betreffen. So hatte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Frage zu entscheiden, ob ein Pflegeheim beim Einzug von neuen Bewohner/innen für die Kennzeichnung von Wäsche zusätzliche Kosten erheben darf. Das Urteil: Das Kennzeichnen von Wäschestücken ist Teil der Regelleistung "Wäscheversorgung". Ein Heimträger hatte von neuen Bewohner/innen 50 Euro für die Kennzeichnung von Wäschestücken verlangt, die als "Zusatzleistung" bei Einzug in die Pflegeeinrichtung fällig wurden.

Bin ich eine stationäre Einrichtung?

Das Gericht strich diese Gebühr mit der Begründung, dass nach dem Rahmenvertrag über die vollstationäre pflegerische Versorgung (hier für Hessen) die Kennzeichnung von Wäschestücken mit dem Regelsatz abgegolten sei. Deshalb sei es rechtlich nicht zulässig, dafür einen Zusatzbeitrag zu erheben. Der Träger habe durch heiminterne Organisation sicherzustellen, dass Wäschestücke nach der Reinigung dem jeweiligen Heimbewohner wieder zugeordnet werden können. Aktenzeichen 10 A 902/13.

Wer übrigens Appartements an Demenzkranke vermietet und die Versorgung der Patient/innen faktisch an einen bestimmten Pflegedienst koppelt, der betreibt laut Verwaltungsgericht Berlin eine "stationäre Einrichtung im Sinne des Heimrechts". Konsequenz: Der Betrieb unterliegt der behördlichen "Heimaufsicht", die prüft, ob die Vorgaben für die Pflege und die Räumlichkeiten erfüllt werden. Das Gericht hatte im vorliegenden Fall festgestellt, dass die pflegebedürftigen Bewohner/innen auf Betreuungspersonal angewiesen waren, aber praktisch ausschließlich denjenigen Pflegedienst beauftragen konnten, der mit dem Betreiber der Appartements kooperierte. Andernfalls hätten sie ihre Behausung aufgeben müssen. Sie seien aber laut Aktenzeichen 14 K 80/12 "besonders schutzbedürftig".

ver.di-Mitglieder sind, auch wenn sie nicht mehr im Arbeitsleben stehen, besser dran: Sie erhalten bei Ärger mit ihrer gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- oder Unfallversicherung Rechtsrat von ihrer Gewerkschaft und werden - bei einer gewissen Aussicht auf Erfolg - sogar vor den Sozialgerichten rechtlich vertreten.