Ausgabe 08/2013
Morgen Amazon, wird’s was geben
Morgen, Amazon, wird’s was geben
Überall weihnachtet es, auch in den Versandzentren des Online-Händlers Amazon. Dort heißt das: arbeiten bis zum Anschlag. Aber noch immer ohne Tarifvertrag. Die Beschäftigten streiken deshalb auch während des Weihnachtsgeschäfts
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von Heike Langenberg
In diesem Jahr fällt Weihnachten aus. Warum? Weil ver.di den Versandhändler Amazon bestreikt. So sieht es jedenfalls Dave Clark, der Logistik-Vorstand des Konzerns. Er vergleicht ver.di mit dem Grinch, einer Figur aus einem amerikanischen Kinderbuch der 50er Jahre, der Weihnachten gestohlen hat. Und mit so einer Organisation wolle man nicht über Tarifverträge verhandeln.
Doch was ist mit dem Weihnachtsfest der Amazon-Beschäftigten? Sie arbeiten bis unmittelbar vor dem Fest in langen Schichten. Aber ihr Arbeitgeber verweigert ihnen immer noch eine Bezahlung nach dem Einzelhandelstarifvertrag, lehnt sich stattdessen an die niedrigeren Tarife der Logistikbranche an. Die Arbeitsbedingungen sind geprägt von starkem Druck und Kontrolle. Hinzu kommen insbesondere zum Jahresende zahlreiche Beschäftigte mit befristeten Verträgen oder in Leiharbeit, um die stark ansteigende Zahl der Aufträge bewältigen zu können.
Seit knapp einem Jahr begehren die Amazon-Beschäftigten gegen dies System auf. An zwei der insgesamt mittlerweile acht deutschen Standorte des Versandhändlers wollen sie über Tarifverträge verhandeln: in Bad Hersfeld und Leipzig. Und dafür streiken sie, auch in der Weihnachtszeit. Bis Ende des Jahres soll auch an einem dritten Standort gestreikt werden. Für die Beschäftigten ist klar, dass der Tarifvertrag des Einzelhandels auch für sie gelten muss. Denn Amazon verkauft Waren an den Endverbraucher und bietet nicht nur die Logistik dafür, wie der Konzern es gerne darstellt.
Auch wenn die Geschäftsführung diese Streiks bislang eher kleinzurechnen versucht, das gewerkschaftliche Engagement hat längst Erfolge gebracht. Dafür hat ver.di-Sekretär Thomas Schneider, zuständig am Standort Leipzig, eine Reihe von Beispielen: Lohnerhöhungen seien nicht nötig, hieß es lange bei Amazon. Seit 2010 aber stiegen die Stundenlöhne doch, in Leipzig von 7,76 auf 9,55 Euro. Weihnachtsgeld gibt es nicht, hieß es noch Anfang 2013. Im September wurde bekannt, dass Amazon nun doch zahlt, je nach Tätigkeit zwischen 400 und 600 Euro. Mitbestimmung wurde abgelehnt, stattdessen setzte Amazon auf rechtlose Mitarbeiterforen. Mittlerweile gibt es an sieben Standorten Betriebsräte. Der achte in Brieselang wurde erst kürzlich eröffnet, auch hier wollen die Beschäftigten möglichst bald einen Betriebsrat gründen. In Leipzig startete ver.di bei Amazon 2006 mit zwei Mitgliedern, heute sind es rund 700.
Dem globalen Unternehmen global begegnen
"Wenn wir uns bewegen, bewegt sich Amazon, ist die Erfahrung, die viele Beschäftigte bei Amazon gemacht haben", sagt Thomas Schneider. Deswegen seien sie sicher, dass es ihnen gelingen wird, die regionalen Tarifverträge im Einzelhandel zum Standard zu machen. Danach liegen die Einstiegsgehälter um bis zu zwei Euro pro Stunde höher als derzeit bei Amazon, das Weihnachtsgeld ist dreimal so hoch und Urlaub und Arbeitszeit sind besser geregelt. Und: Der Konzern, der allein 2012 in Deutschland einen Umsatz von 6,8 Milliarden Euro gemacht hat, verschafft sich dann gegenüber der Konkurrenz keinen Vorteil mehr auf Kosten der Beschäftigten.
Im Herbst hat Amazon angekündigt, in den kommenden zwei Jahren drei Versandzentren in Polen und zwei in Tschechien zu eröffnen. Da das Unternehmen in beiden Ländern noch nicht am Markt vertreten ist, vermuten Experten, dass von dort aus auch der deutsche Markt mit bedient werden soll. Anfang Dezember haben ver.di-Vertreter/innen sich in Dresden mit Kolleginnen und Kollegen der polnischen Gewerkschaft NSZZ Solidarnosc und der tschechischen Handelsgewerkschaft OSPO getroffen. Sie sind sich einig, dass sie in Zukunft eng zusammenarbeiten wollen, damit die Standorte nicht gegeneinander ausgespielt werden können. "Einem globalen Unternehmen muss man global begegnen", sagt Thomas Schneider. Dazu sei jetzt in Dresden ein erster Schritt gemacht worden.
Die Beschäftigten Seiten 12+13
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