Zuwanderung

WOLFGANG UELLENBERG-VAN DAWEN leitet den Bereich Politik und Planung bei ver.di

Schreibt die CSU doch allen Ernstes in ein Kommunalprogramm "Wer betrügt, fliegt", wo es doch die Steuerbetrüger und Steuerhinterzieher aus ihrem nächsten Umfeld sind, die in die Schweiz oder auf die Bahamas fliegen, um den darbenden Gemeinden ihr Geld vorzuenthalten. Aber nicht die sind gemeint, sondern Menschen aus Südosteuropa, die vermehrt nach Deutschland kommen, um dort Arbeit und Auskommen zu finden. Von Sozialmissbrauch und Ausnutzen deutscher Sozialhilfe wird da geredet, obwohl doch Menschen, die hier Arbeit suchen, in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts gar keine Leistungen beziehen können - und wenn, dann nur als Aufstocker von Niedrigstlöhnen für die Arbeit, die ihnen angeboten wurde.

Wie wohltuend scheinen sich da die Beiträge führender Arbeitgebervertreter von den rechtspopulistischen Ausfällen eines Seehofer und Co abzuheben. Kommt her, hört man sie rufen, wir brauchen Fachkräfte, um den demografischen Wandel zu bewältigen, qualifizierte und junge Leute sind gefragt, um das Bruttosozialprodukt zu steigern - vorrangig Ingenieure, Ärzte und andere naturwissenschaftlich-technische Berufe. So wollen und fordern es derzeit lautstark die großen Arbeitgeberverbände und ihnen nahestehende Wirtschaftsexperten. Es dürfen aber auch Pflegekräfte sein. Denn die jahrzehntelangen Versäumnisse in der Pflegeausbildung, aber auch Niedriglöhne und schlechte Arbeitsbedingungen rächen sich nun: Pflegerinnen und Pfleger fehlen landauf, landab. Die ersten Pflegekräfte aus China werden denn auch von den privaten Arbeitgebern mit Jubel begrüßt, und ginge es nach ihnen, würde der Pflegenotstand vor allem mit Menschen aus Asien oder notfalls noch Südeuropa behoben.

Aber ist das die Lösung? Auf den ersten Blick ja: Eine geregelte Einwanderung zu fordern und zu fördern, ist besser, als Ängste zu schüren und sich abzuschotten. Aber das ist zu kurz gesprungen: Fachkräftemangel im Sozialbereich oder bei technischen Berufen muss zuerst einmal durch vorausschauende Ausbildung und gute Arbeitsbedingungen behoben werden. Immer noch mangelt es an beidem. Zudem: Wenn Fachkräfte aus Ländern abwandern, die selbst gute Leute brauchen, hilft dies Betroffenen, aber nicht ihren Herkunftsländern. Und vor allem: die Verengung der Einwanderung auf den Fachkräftezuzug ist keine Antwort auf die Herausforderungen, die sie an unsere Gesellschaft stellt. Immer noch bleibt die Erkenntnis aus den siebziger Jahren gültig: Arbeitskräfte werden gesucht, aber Menschen kommen. Menschen, die nicht nur schwere und schlecht bezahlte Arbeit leisten wollen, sondern ebenso Anspruch auf gute Arbeit und einen guten Lohn wie alle Beschäftigten haben. Menschen, die für sich und ihre Familien eine bezahlbare Wohnung brauchen. Menschen, die ein lebenswertes Umfeld, Bildung, Schulen und auch Hilfe und Unterstützung benötigen, die die deutsche Sprache und damit ihre Rechte kennenlernen wollen und auch müssen.

Viele Arbeitgeber haben damals Hervorragendes geleistet, aber allzu viele andere nicht. Männerheime gab es und schlechte, aber teure Unterkünfte. Manch langjährig beschäftigte Einwanderer haben bis heute noch keine Sprachkurse und Integrationsangebote bekommen. Auch Ausbildung und dann gute Arbeit für die Mädchen und Jungen aus Einwanderer-Familien sind bis heute Mangelware. Gerade hier dürfen sich Arbeitgeber nicht aus der Verantwortung stehlen. In die Verantwortung genommen werden die Kommunen. Vor allem in den Ballungszentren suchen Einwanderer Wohnung und Zusammenhalt - so wie dies schon immer der Fall war - ob es Deutsche in den USA oder Chinesen in London waren. Aber viele Kommunen verfügen über zu wenig bezahlbare Wohnungen, weil die Spekulanten die Preise in die Höhe treiben und dann Bruchbuden gerne für viel Geld an Einwanderer vermieten und so erst die Ghettos schaffen, über die so viel diskutiert wird. Und in vielen Kommunen fehlen ausreichend Kitaplätze und Personal, Soziale Dienste stoßen schon jetzt an ihre Grenzen. Die vielen Integrationswilligen müssen Schlange stehen, um in einen Sprachkurs zu kommen. Hierfür brauchen die Kommunen mehr Geld und Unterstützung. Dabei könnten die Arbeitgeber helfen: Indem sie ihre Blockade gegen höhere Steuern und eine Reform der Gewerbesteuer aufgeben. Indem sie Arbeitsplätze schaffen und nicht vernichten. Integration verlangt viel, von denen die kommen, und von denen, die hier leben. Sie ist vor allem eine soziale Frage - und die muss sozial gerecht gelöst werden. Anders geht es nicht.

Immer noch bleibt die Erkenntnis aus den siebziger Jahren gültig: Arbeitskräfte werden gesucht, Menschen kommen