10.000 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes kamen Ende März auf den Frankfurter Römer und forderten mehr Geld

Na klar stelle ich meinen Mülleimer raus - und er wird geleert. Na klar bringe ich mein Kind in die Kita - und es wird betreut. Na klar gehe ich ins Frankfurter Schauspiel. Und noch vieles mehr kann ich tun, weil es die öffentlichen Dienstleistungen gibt. Sie halten die Gesellschaft zusammen und liefern Lebensqualität. Aber hinter allem gewohnten Alltag stehen Menschen, die hier arbeiten und Verantwortung tragen.

In den März-Wochen 2014 war das nicht mehr alles so selbstverständlich. Denn bei den Kommunen und beim Bund wurde gestreikt - mit Schmackes. Und alle kamen: Beschäftigte von Stadt- und Kreisverwaltungen, Kindertagesstätten, Ver- und Entsorgungsbetrieben, Krankenhäusern, bei den städtischen Bühnen Frankfurt und im öffentlichen Personennahverkehr. Bis Mitte März hatten in Hessen viele Tausend Beschäftigte die Arbeit niedergelegt. In der letzten März-Woche sah es so aus: 1500 waren es am Frankfurter Flughafen bei Fraport. 5500 kamen nach Kassel, aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes aus der Stadt Kassel, dem Landkreis, aus Osthessen, dem Vogelsbergkreis und dem Kreis Hersfeld-Rotenburg. 1700 Beschäftigte aus den Regionen Dillenburg, Wetzlar, Gießen und Marburg beteiligten sich. Auf dem Frankfurter Römer versammelten sich 10.000 Kolleg/innen aus dem Rhein-Main-Gebiet, mehr als 1000 Arbeitnehmer/innen des Nahverkehrs Frankfurt und Offenbach traten in den Ausstand. Auf einmal ging vieles nicht mehr wie gewohnt.

Denn den Beschäftigten reicht es, dass die Entwicklung der Einkommen im öffentlichen Dienst seit Jahren hinter anderen Branchen herschleicht. Zusammen mit ver.di wollen sie erreichen, dass die unteren Einkommen stärker angehoben werden. Deshalb die Forderung nach einem Grundbetrag, gegen den sich die Arbeitgeber besonders wehrten. Darauf sollte es nach ver.di eine prozentuale Erhöhung geben.

Wichtig auch: In Teilen des öffentlichen Dienstes steht ein Generationswechsel an. ver.di drängte daher gerade in dieser Tarifbewegung darauf, dass auch die Azubis eine entsprechende Vergütung bekommen, vor allem aber, dass sie nach der Ausbildung übernommen werden. Denn sie sind es, so Rosi Haus vom ver.di-Bezirk Frankfurt und Region, die künftig die Daseinsvorsorge sicherstellen sollen. Der Blick auf einige Berufe zeigt, worum es geht.

Zum Beispiel das Kreiskrankenhaus Höchst in Frankfurt. Dort arbeitet Rudolf Schön, freigestellter Betriebsrat. Das Krankenhaus mit Maximalversorgung hat 2200 Beschäftigte, 900 stationäre Betten und ein gewisses Kontingent für Notfälle. Weil der Flughafen nicht weit ist. Den Alltag eines Krankenpflegers in der Psychiatrie kennt Rudolf Schön aus eigener Erfahrung. Hier wird in drei Schichten gearbeitet. Wecken, Morgenhygiene, Frühstück - oft muss geholfen werden. Die Visite schließt sich an; der Pfleger ist dabei, denn er kennt die Patienten am besten.

Es folgen Gruppenarbeit oder Spielrunden. Individuelle Betreuung ist dann gefragt, wenn Ängste, Bedrohungsgefühle oder "Stimmen" das Befinden der Patienten beeinträchtigen. Zum Programm gehört auch, dass Hausbesuche im Familienkreis angeboten werden. Andere Arbeiten mit den Patienten "laufen so nebenher". Ist das Tagwerk geschafft, muss die Arbeit dokumentiert werden. Das ist nicht zuletzt für die Abrechnung mit der Krankenkasse wichtig.

Zum Beispiel das Landratsamt Friedberg. Seit über zehn Jahren ist Claudia Göbel hier tätig, aktuell als Sachbearbeiterin in der Fachstelle für besondere soziale Leistungen, dem früheren Sozialamt. Hier geht es um Grundsicherung, um Wohngeld, aber vor allem um Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen, von null bis 25 Jahren. Der Anspruch auf Leistungen besteht, solange man eine Schule besucht. Das heißt: Bereitstellung von Schulmaterial, Lernförderung, Klassenfahrten, Zuschüsse für Mittagessen in Kita oder Schule. Für Claudia Göbel ist die Entwicklung der Kinder wichtig, ihnen etwa die Teilnahme an Klassenfahrten zu ermöglichen, auch wenn es sich schon mal um höhere Beträge bis zu 450 Euro handelt.

Deshalb beginnt sie den Arbeitstag damit, nachzuprüfen, ob die notwendigen Voraussetzungen geschaffen sind. Sie plant ihren Tag genau durch, die Anträge werden in zeitlicher Reihenfolge bearbeitet. Manche werden persönlich eingereicht, die meisten schriftlich. Wenn es brennt, greift sie sofort ein. Was macht die Verantwortung in diesem Beruf aus? Sie weiß, dass sie mit ihren Entscheidungen Einfluss nimmt auf das Leben in den Familien. Sie sieht, wie Eltern trotz Vollzeitarbeit auf Unterstützung angewiesen sind, und ahnt, dass sich das bis ins Rentenalter fortsetzen wird. In solchen Augenblicken verordnet sie sich Distanz, damit sie bei ihrer Arbeit gerecht sein kann.

Zum Beispiel Flughafen Frankfurt. Alfredo Zappala ist schon seit 26 Jahren dabei, und zwar als Gepäckmeister. Mit rund 100 Kollegen arbeitet er zusammen. Er disponiert den Arbeitsbereich, teilt die Beschäftigten ein und ist zuständig für die Abfertigungshalle. Auch hier wird im Schichtbetrieb gearbeitet. Heute beginnt er um 5 Uhr morgens, es könnte aber auch 3 Uhr 30 oder 6 Uhr sein. Eine wichtige Aufgabe ist die Kundenbetreuung. Da gibt es von den Airlines unterschiedliche Anforderungen und von den Passagieren spezielle Wünsche, wo und wie das Gepäck sortiert werden soll. Der Job ist hart. Ein Beschäftigter hat rund zwölf Flüge zu betreuen. Rechnet man 200 Pack à 20 Kilogramm, dann kann man sich vorstellen, wie sich am Ende der Schicht der Rücken anfühlt.

Alfredo Zappala weist aber darauf hin, dass das längst nicht alles ist. Es kann vorkommen, dass ein Gast nicht fliegen kann, aber das Gepäck schon unterwegs ist. Dann heißt es, schnell entscheiden. Schlimmstenfalls handelt es sich um gefährliches Frachtgut. Dann muss sogar die Maschine zurückbeordert werden. Da sind kühler Kopf und Aufmerksamkeit gefragt, Tag für Tag.

Was als selbstverständlich angesehen wird, entpuppt sich in einem Warnstreik als hohes Gut. Man muss es zu schätzen wissen. Vor allem arbeitgeberseits.

Bericht Seite 5

Drollige Arbeitgeber

Ende März haben sich die Beschäftigten im öffentlichen Dienst und bei privaten Dienstleistungsbetrieben auch in Hessen für eine Wertschätzung ihrer Arbeit eingesetzt, die finanziell sichtbar sein muss. Beeindruckend war, dass so viele Tausende ein Zeichen gesetzt haben. Übrigens auch viele, die noch nicht Mitglied der Gewerkschaft waren oder sind. Die Arbeitgeber haben versucht, die öffentliche Meinung gegen uns zu mobilisieren. Aber bestimmt nicht aus Jux und Dollerei wird die Arbeit niedergelegt. Die Beschäftigten überlegen genau, was ihnen wichtig ist, aber auch, welche Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben unvermeidlich sind. Wenn nun die Arbeitgeber uns vorwerfen, dass wir die Warnstreiks geplant haben, so kann ich das nur drollig finden. Wir sind schließlich Profis.

Jürgen Bothner, ver.di-Landesleiter Hesssen