Doch lieber ‘ne Ausbildung? Mädchen beim Girls' Day

Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, SPD, hat Anfang April wie geplant ihren Gesetzentwurf zum Mindestlohn vorgelegt. Damit rückt eine von den Gewerkschaften lange geforderte Zahlung von mindestens 8,50 Euro pro Stunde in greifbare Nähe - allerdings nicht für alle. Denn der von Nahles vorgelegte Entwurf benennt zwei Ausnahmen: Langzeitarbeitslose sollen in den ersten sechs Monaten im neuen Job auch schlechter bezahlt werden können (siehe Seite 1) ebenso Jugendliche unter 18 Jahren.

Keine Praktischen Belege

Als "unangebracht" bezeichnete der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske die geplanten Ausnahmen. Auch die für Jugendliche. "Es gibt trotz geltender Branchenmindestlöhne und höherer Tarifentgelte für ungelernte Tätigkeiten keinerlei praktische Belege dafür, dass Jugendliche sich bisher gegen eine Ausbildung entschieden hätten, um kurzfristig mehr Geld zu verdienen", sagte Bsirske. Schon heute sei es möglich, ungelernt in einen Job zu gehen und damit erst einmal mehr Geld zu verdienen als mit einer qualifizierten Ausbildung. Doch tatsächlich genutzt wird diese Variante nur selten.

In einigen anderen europäischen Ländern gibt es ähnliche Ausnahmeregelungen. Bsirske verwies in diesem Zusammenhang auf die Niederlande. Hier hätten sie vor allem in klassischen Niedriglohnbereichen des privaten Dienstleistungsgewerbes wie Handel oder Gastronomie zu erheblichen Verdrängungseffekten von älteren durch jüngere Arbeitnehmer geführt.

Trotz dieser berechtigten Kritik begrüßt der ver.di-Vorsitzende den Gesetzentwurf: "Der Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro schützt Beschäftigte vor Lohndumping und stabilisiert damit auch bessere tarifliche Entgeltregelungen. Deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung für den flächendeckenden Mindestlohn keine regionalen oder Branchenausnahmen vorsieht."

Die 8,50 Euro pro Stunde sieht Bsirske jedoch nur als ersten Schritt. "Mit 8,50 Euro liegen Arbeitnehmer in Vollzeit noch unter der Pfändungsfreigrenze. Damit Arbeit nicht arm macht, muss der Mindestlohn bereits vor 2018 rasch in Richtung zehn Euro angehoben werden", forderte er.

Die Zeitungszusteller/innen

Gestritten wird immer noch, ob auch Zeitungszusteller/innen den gesetzlichen Mindestlohn erhalten sollen (ver.di publik berichtete mehrfach). In einem Gutachten im Auftrag von ver.di hat jetzt der Staatsrechtler Bodo Pieroth von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster festgestellt, dass ein allgemeiner, gesetzlicher Mindestlohn für Zeitungszusteller/innen nicht im Widerspruch zur Pressefreiheit steht. Mehr zu dem Gutachten und zu einer ver.di-Online-Petition, in der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles aufgefordert wird, die Zeitungszusteller/innen nicht vom Mindestlohn auszunehmen, unter

http://mindestlohnfuerzusteller.de