FRANKFURTER RUNDSCHAU, 10. APRIL 2014

Flashmobs sind gewiss keine feinsinnige Form, um Positionen und Meinungen kundzutun. Ihr Vorteil ist die Geschwindigkeit, in der über das Internet Menschen mobilisiert und auf die Straße gebracht werden können. Zugleich ist dies Tempo gefährlich, weil die Zeit fehlt, um nachzudenken. Reflexion aber ist mitunter dringend geboten. Es hat einen Fall gegeben, in dem ein unschuldiger Jugendlicher nur knapp der Lynchjustiz eines Flashmobs entgehen konnte. [...] Ungeachtet dessen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, von Gewerkschaften organisierte Flashmobs als Mittel regulärer Arbeitskämpfe zuzulassen. Trotz aller Vorbehalte ist dieses Urteil richtig. Denn [...] das Gericht hat eindeutige Bedingungen formuliert: Nur im Rahmen eines Arbeitskampfes sind die Aktionen zulässig, und nur Gewerkschaften dürfen ihre Mitglieder zur Teilnahme aufrufen, nicht aber einzelne Belegschaftsmitglieder.


Neues Selbstbewusstsein

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, 19. MÄRZ 2014

Es hat auch mit den Zufällen des Terminkalenders zu tun, doch in jedem Fall steht diese Woche beispielhaft für ein neues Selbstbewusstsein der Gewerkschaft Verdi: Keine andere Arbeitnehmerorganisation ist derzeit an so vielen verschiedenen Fronten aktiv wie sie und nimmt damit einen vergleichbar starken Einfluss auf die Lohn- und Tarifentwicklung im Land. Die mittlerweile für einen Großteil der Bürger im Alltag spürbaren Streiks im öffentlichen Dienst sind dafür nur der offensichtliche Beleg. [...] Dieser Konflikt hat für Verdi auch deshalb besondere Bedeutung, weil hier mittelbar der Wettbewerb zwischen klassischen Großgewerkschaften und neuen Berufs- und Spartengewerkschaften ausgefochten wird. Eine so streikmächtige Berufsgruppe wie die Passagierkontrolleure könnte sich leicht auch auf eigene Faust vertreten [...] Im politischen Streit um mögliche Begrenzungen solcher Formen des Gewerkschaftswettbewerbs war Verdi so selbstgewiss, auf Seite der Berufsgewerkschaften gegen ein Gesetz zur Tarifeinheit einzutreten. Nun gilt es zu zeigen, dass die Großgewerkschaft Verdi das Problem auf eigene Faust lösen und den Wettbewerb gewinnen kann.


Der neue König

WESTDEUTSCHE ALLGEMEINE, 2. April 2014

In Bochum vor dem Rathaus hat Verdi seinen Arbeitskampf fantasievoll und wie im Theater aufgezogen. Man legte rote Teppiche auf den Gehweg. Robuste Blaumänner und Pflegerinnen in strahlendem Weiß und grüngewandete Stadtgärtner flanierten dort und gaben Autogramme. Das Signal: Wir sind die Könige vor Ort. Bald werden die Verdianer nur einen einzigen König feiern: Frank Bsirske. Die Taktik ihres Vorsitzenden ist wieder aufgegangen. Schon lange hat die alte ÖTV keinen so aggressiven und zugleich klug auftretenden Chef gehabt. Verdi ist die Gewerkschaft, die deutlich Mitglieder gewinnt.


Der andere Bsirske

RHEINISCHE POST, 31. März 2014

Als Gewerkschaftschef macht man sich [...] im Volk wenig beliebt, es sei denn, es handelt sich um die eigenen Mitglieder; und bei denen auch nur, wenn am Ende das Ergebnis stimmt. In genau diesem esplosiven Umfeld bewegt sich Bsirske [...]. Öffentlich tritt er meist hemdsärmelig auf, redet sich im Verlauf seiner Auftritte gern in Rage. [...] Aber es gibt auch den anderen Frank Bsirske. Sobald die Journalisten die Aufnahmeknöpfe ihrer Diktiergeräte drücken, legt sich bei Bsirske ein imaginärer Schalter um. Dann spricht der gebürtige Helmstedter in geschliffenen Schachtelsätzen auf dem Niveau eines Ökonomie-Experten - wenn auch mit äußerst linkem Anstrich. [...] Eigentlich läuft seine Zeit bei Verdi bald ab. [...] Doch auch in diesem Punkt blitzt seine Kampfbereitschaft durch. In einem Interview kündigte er jüngst an, er wolle es noch einmal wissen.