Ausgabe 03/2014
Teuer und schlechter
Die EU-Kommission überprüft die in den einzelnen EU-Ländern bestehenden Mehrwertsteuerregelungen. Dabei geht es um die geltenden Vorschriften für öffentliche Einrichtungen und Steuerbefreiungen für bestimmte öffentliche Dienstleistungen. Die EU-Kommission sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung, weil private Anbieter mehrwertsteuerpflichtig sind. Die verschiedenen von ihr vorgeschlagenen Modelle reichen von einer Einschränkung der Steuerbefreiung bis hin zu einer Vollbesteuerung.
Aktuell findet eine öffentliche Konsultation zu diesen Modellen statt. Auch ver.di will im Rahmen dieses Verfahrens bis Ende April ihre Stellungnahme abgeben, denn eine Änderung der Vorschriften würde auch viele Beschäftigte des öffentlichen Sektors betreffen. Beispiel Sozialversicherung: Rund 34 Milliarden Euro an Mehrbelastung würden allein im Jahr 2014 auf die deutsche Sozialversicherung zukommen. Diese Summe haben mehrere Sozialversicherungsträger in einer Pressemitteilung veröffentlicht. Der Grund: "Bislang unterliegen die zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben bezogenen Leistungen zu einem großen Teil nicht der Mehrwertsteuer oder nur einem ermäßigtem Steuersatz. So sind beispielsweise die ärztliche Heilbehandlung sowie die Krankenhausbehandlung grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit."
Allein für die gesetzliche Krankenkasse wird die Mehrbelastung auf rund 26,6 Milliarden Euro geschätzt. Umgelegt auf die Beiträge würde das eine notwendige Steigerung von 2,35 Beitragspunkten bedeuten. Das ist auch die Steigerung, mit der Versicherte der Deutschen Rentenversicherung zusätzlich rechnen müssten. "Diese finanziellen Mehrbelastungen müssten durch höhere Bundeszuschüsse oder eine Anhebung der Beitragssätze aufgefangen werden", sagen die Sozialversicherungsträger in ihrer Pressemitteilung. ver.di befürchtet, dass die Vorschläge der EU-Kommission, so sie denn umgesetzt werden, auch zu Verteuerung und Verschlechterung bei den Arbeitsbedingungen wie auch bei der Qualität der Güter und Dienstleistungen führen würden.
Keine Wettbewerbsverzerrung
Betroffen wären aber auch Dienstleistungen, die der öffentliche Dienst in Bund, Ländern und Kommunen er- bringt. Dazu zählen unter anderem Rundfunk, Abfall- und Abwasserbewirtschaftung oder die Flugsicherung. Der Deutsche Gewerkschaftsbund befürchtet in seiner Stellungnahme "Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der öffentlichen Einrichtungen", die sich "letztlich für die Bürger/innen negativ auswirken".
Privatwirtschaftliche Unternehmen, die die EU-Kommission durch die Änderungen mit öffentlichen Anbietern gleichstellen will, könnten sich auf lukrative Märkte, bestimmte Regionen oder Abnehmer konzentrieren. Dies sei bei öffentlichen Einrichtungen nicht möglich oder würde das Angebot zu stark einschränken. "Unabhängig von der Höhe der Einkommen und der Vermögen müssen große Teile des Angebots der öffentlichen Daseinsvorsorge allen Bürgerinnen und Bürgern offen stehen", fordert der DGB. Damit das so bleibt, wollen sich die Gewerkschaften offensiv in den Prozess einmischen. Außerdem muss auch das Europäische Parlament der Änderung zustimmen - und das wird am 25. Mai neu gewählt.