Ausgabe 04/2014
Bis zu 14 Stunden auf dem Bock
Busfahrer wollen mehr Lohn
Wenn man die Busfahrer Thorsten Beliza, 40, und Jürgen Ubrig, 49, sprechen will, muss man in dem ansonsten vorzeigbaren Gebäude der privatisierten Marburger Verkehrsgesellschaft (MVG) im Süden der Stadt eine dunkle Treppe hinabsteigen. Die Busfahrer der Privatbetriebe stehen aber keineswegs im Dunkeln. In den vergangenen Jahren kämpften sie mit an erster Stelle für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen und für die Anerkennung ihres Berufs. Das war auch in diesem Frühjahr so. Etwa 190 sind sie, rund zehn Prozent von ihnen Frauen. Der Tarifabschluss brachte denn auch ein ansehnliches Ergebnis für die Branche: Bis 2015 steigen die Stundenlöhne auf zwölf Euro, die Wochenarbeitszeit beträgt dann 39 Stunden.
Aber nach Ansicht der Betriebsräte Beliza und Ubrig bleiben noch viele Probleme offen. So gibt es zwei Gruppen: Turnus Lang und Turnus Stadt. In der Stadt sitzt man maximal zehn Stunden auf dem Bock. Die Langpartie kann schon mal bis zu 14 Stunden dauern. Dabei handelt es sich aber nicht um einen geregelten Schichtrhythmus. Innerhalb einer Woche wechseln die Zeiten. "Da kann es vorkommen", so Thorsten Beliza, "dass du dein Kind eine Woche lang nicht siehst, bestenfalls mal zwischen Tür und Angel."
Jürgen Ubrig ergänzt, dass es sich dabei nicht um reine Arbeitszeiten handelt. Es gibt auch Bereitschaftszeiten. Wenn man morgens losfährt, muss das Fahrzeug überprüft sein, schließlich hat man bei einem Gelenkbus in Spitzenzeiten die Verantwortung für rund 140 Fahrgäste. Die Fahrzeuge sind auch nicht alle frisch aus der Fabrik. Und das bei ständig schwieriger werdendem Verkehr in der alten, winkeligen Stadt am Oberlauf der Lahn.
Oder bei der "Studentenrallye" am Sonntagabend. Wenn man sich dann auf den Wendeplatz und die kurze Pause freut, stößt man bei Fahrgästen nicht immer auf Verständnis. "Andere Beschäftigte gehen für ihre Pause in einen Aufenthaltsraum. Ich sitze für alle sichtbar an meinem Arbeitsplatz, laufe vielleicht mal herum und faulenze für manchen Außenstehenden, obwohl zu Stoßzeiten der Autozirkus in der Stadt die Zeit ohnehin auffrisst." Mehr Wertschätzung für seine Arbeit wünscht er sich auch von denjenigen, die mit dem linken Bein aufgestanden oder sonstwie frustriert sind.
Gleichstellung gefordert
Ein weiteres Problem treibt die beiden Interessenvertreter um. Immer mehr unzureichend ausgebildete Kräfte kommen in den Beruf. "Es reicht aber nicht aus, den Führerschein zu haben. Man muss diesen Beruf, die Verantwortung gegenüber den Kunden und dem Verkehr und damit auch die Freude an der Tätigkeit gelernt haben." Wenn eine früher respektierte Arbeit nun im Ansehen der Menschen sinkt, liegt das auch an der Bezahlung und den Arbeitsbedingungen. Die Privaten wollen daher gleichgestellt sein mit ihren Kolleg/innen im öffentlichen Dienst - und den Beschäftigten in anderen Bundesländern. Außerdem soll die gesamte Dienstzeit bezahlt werden. Denn nach Adam Riese weiß jeder, dass schlechte Arbeitsbedingungen in Altersarmut münden: "Wir wollen ja nicht tot überm Zaun hängen."
Damit das nicht passiert, bedarf es auch in Hessen eines Tariftreuegesetzes, wie es der hessische DGB-Vorsitzende Stefan Körzell am 1. Mai in Marburg auch für den Verkehrsbereich eingefordert hat. Und Thorsten Beliza fügt hinzu, dass selbst in der ver.di-Welt andere Wege gegangen werden müssen. Er vermisst auch hier manchmal die notwendige Aufmerksamkeit für seinen Berufsstand. reb