"Ich muss es noch einmal deutlich sagen", betonte Kenan Öztürk mit deutlichen Emotionen in der Stimme, "wir danken ver.di sehr für die Unterstützung." Öztürk ist Präsident der türkischen Transportarbeitergewerkschaft TÜMTIS, der es nach zwei Jahren der Auseinandersetzung Ende April endlich gelungen ist, mit der türkischen Tochter des deutschen Logistikkonzerns DHL einen Tarifvertrag abzuschließen. "Ein harter Kampf", sagen auch die Beschäftigten von DHL, "den wir nur durch die große internationale Unterstützung gewinnen konnten."

Ausgangspunkt war und ist die miese Situation der Arbeitnehmer bei privaten Cargo-Firmen in der Türkei. Türkische Unternehmen wie Yurtici Cargo oder MAN Cargo liefern die Waren innerhalb der Türkei an einem Tag aus und sind trotzdem noch billiger als die Post. Aber auch die großen internationalen Zustellfirmen wie UPS und DHL sind zwischen Bosporus und Ararat gut im Geschäft. Basis des Profits ist bei allen die schrankenlose Ausbeutung ihrer Beschäftigten. Miese Bezahlung, enorme Hetze und Zwölf-Stunden-Tage sind die Regel. Schon vor Jahren war TÜMTIS angetreten, um daran etwas zu ändern. Doch es ist in der Türkei für eine Gewerkschaft extrem schwierig, als Tarifvertragspartei in einem landesweiten Großunternehmen anerkannt zu werden. Sie muss mindestens 40 Prozent aller Beschäftigten organisieren. Das versuchen die Unternehmen zu verhindern, indem sie Mitarbeiter, die in die Gewerkschaft eingetreten sind, unter fadenscheinigen Gründen rechtzeitig feuern - bevor das Quorum erfüllt ist. So auch bei DHL Türkei. Im Frühjahr 2012 setzte die Betriebsleitung 32 Mitarbeiter vor die Tür, die kürzlich Mitglied von TÜMTIS geworden waren.

Mit internationaler Solidarität

Doch TÜMTIS und die gefeuerten DHL-Arbeiter nahmen das nicht hin. Sie organisierten vor den Toren der Auslieferungslager von DHL in Istanbul Mahnwachen, täglich, 365 Tage im Jahr. Dazu kamen Demonstrationen und Veranstaltungen, die die Öffentlichkeit mobilisierten. TÜMTIS hatte zu Beginn des Arbeitskampfes bei DHL bereits eine wichtige Erfahrung gemacht: In einem ähnlichen Konflikt mit UPS konnten die Gewerkschafter sich am Ende auch durch den Druck durchsetzen, den Kollegen im Ausland auf UPS ausübten.

Deshalb setzte die Kampagne bei DHL von Anfang an auf internationale Solidarität: Die Internationale Transportarbeiter-Föderation aus London schickte Unterstützung. Wie die amerikanischen Kollegen bei UPS waren es jetzt Kollegen von ver.di, die die DHL-Zentrale in Bonn und die Deutsche Post, den Mutterkonzern von DHL, unter Druck setzten. Immer wieder kamen Unterstützerdelegationen aus Deutschland nach Istanbul, um den Kollegen bei DHL Türkei Mut zu machen. Mehrmals war auch Andrea Kocsis aus dem ver.di-Bundesvorstand vor Ort. Am Ende haben TÜMTIS und die Arbeiter von DHL tatsächlich einen historischen Erfolg errungen. DHL Türkei musste TÜMTIS als Tarifpartner anerkennen und unterzeichnete am 22. April einen Tarifvertrag, der den Kollegen nicht nur eine ordentliche Lohnerhöhung von teils bis zu 40 Prozent sichert, sondern auch weitere Sozialleistungen. Außerdem musste DHL 25 der gefeuerten Kollegen wieder einstellen und den restlichen sieben eine gerichtlich festgelegte Abfindung zahlen.

Vom DGB-Bundeskongress in Berlin aus gratulierte Andrea Kocsis den Kollegen: "Wir haben großen Respekt vor der mutigen Haltung und dem Durchhaltewillen der Kolleginnen und Kollegen der TÜMTIS. Trotz der Repressalien ist es ihnen gelungen, das Quorum von 40 Prozent zur Anerkennung als zuständige Gewerkschaft und einen erfolgreichen Tarifabschluss zu erreichen. Es freut uns deshalb besonders, dass wir TÜMTIS unterstützen und zu dem erfolgreichen Kampf beitragen konnten." Jürgen Gottschlich